Die Zukunft heute gestalten

Eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen

Unsere Gesellschaft befindet sich heute inmitten einer Vielzahl von sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen, die dringend einer kritischen Reflexion bedürfen. Dabei geht es um ethische Überlegungen im Umgang mit Leid, Sterben und der Frage, wie Menschen behandelt werden, die als nicht gebraucht gelten – sei es aufgrund von Alterspflegebedürftigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit oder chronischer Krankheit. Genau auf diese Fragen möchten wir gemeinsam Antworten finden und diskutieren.

Auch in der heutigen Zeit sind Selektionsmechanismen präsent, wenn auch in anderer Form. Diese Mechanismen finden sich auf politischer Ebene durch Gesetzgebungsverfahren, die diese Bestrebungen unterstützen sollen, sowie in der Gesundheitspolitik durch sogenannte Reformen. Es wird versucht, Einfluss auf den Beginn und das Ende des menschlichen Lebens zu nehmen und selektiv in diese Prozesse einzugreifen. Dabei ist es bemerkenswert, dass heutzutage nicht mehr von der Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ oder von „Ballastexistenzen“ gesprochen wird, wie es in der dunklen Vergangenheit der Fall war.

Die moderne Wissenschaft strebt durch vorgeburtliche Selektion oder Manipulation danach, „der Gesellschaft“ das zu schenken, was aus Sicht der Auftraggeber als der „perfekte Mensch“ betrachtet wird. Dieser Wunsch nach Perfektion und Kontrolle über die genetische Ausstattung führt zu ethischen und moralischen Fragen, die wir nicht ignorieren können.

Die Entwicklungen und Möglichkeiten der Gegenwart sind zweifellos beeindruckend, doch sie erfordern eine verantwortungsbewusste Herangehensweise. Es ist entscheidend, dass wir uns bewusst sind, wie weitreichend die Auswirkungen solcher Maßnahmen sein können. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, wie gefährlich es sein kann, Menschen nach bestimmten Kriterien zu selektieren und zu bewerten.

Die Debatte darüber, wie weit wir in die natürlichen Prozesse des Lebens eingreifen sollten, ist komplex und herausfordernd. Es erfordert einen offenen und informierten Diskurs, in dem ethische, moralische und soziale Implikationen sorgfältig abgewogen werden. Als Gesellschaft müssen wir sicherstellen, dass Fortschritte in Wissenschaft und Technologie im Einklang mit den Werten stehen, die eine inklusive, respektvolle und menschenwürdige Gesellschaft ausmachen.

In dieser Zeit der Veränderung und des Wandels ist es unsere Verantwortung, die Entwicklungen kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass wir die Lehren aus der Geschichte nicht vergessen. Unser Streben nach Fortschritt sollte stets von Empathie, Ethik und Respekt für die Vielfalt des menschlichen Lebens geleitet sein. Nur so können wir sicherstellen, dass wir eine Zukunft gestalten, die auf den Grundlagen der Menschlichkeit und Gerechtigkeit ruht.

Die Sensibilisierung für die NS-Gesundheitspolitik: Ein Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart

Das vorliegende Vorhaben hat zum Ziel, das Thema der NS-Gesundheitspolitik, historisch als NS-„Euthanasie“ bekannt, in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und dabei die gesamte Zivilgesellschaft anzusprechen.

Die NS-Gesundheitspolitik mag zwar kein alltägliches Gesprächsthema sein, doch die damalige Sichtweise auf „unwertes Leben“ prägt bis heute die Erfahrungen von vielen Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen und altersbedingter Pflegebedürftigkeit. Diese Perspektive führt dazu, dass sie im Umgang mit Nichtbetroffenen immer noch mit ausgrenzendem Verhalten konfrontiert werden, das sie an den Rand der Gesellschaft drängt.

Im Verlauf der Auseinandersetzung mit dem Thema „Euthanasie“ ergibt sich zwangsläufig ein Moment, in dem ein Vergleich zur aktuellen Debatte über aktive Sterbehilfe angestellt wird. Bei diesem Vergleich ist es entscheidend zu betonen, dass die Nazi-Euthanasie eine gezielte Form des „Verwaltungsmassenmords“ aus rassistischen Motiven und kriegswirtschaftlichen Interessen darstellte. Dies steht im krassen Gegensatz zur heutigen Diskussion über Sterbehilfe, die auf der Idee der Selbstbestimmung des Individuums beruht. Die Auffassung des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) stellt hierbei einen Leitfaden für das Projekt dar. Indem wir uns auf eine Reise in die Vergangenheit begeben, folgen wir einem historischen und biografischen Ansatz, den das Projekt für seine pädagogische Arbeit verwendet.

Durch die Eintauchen in diese Thematik wollen wir nicht nur das Bewusstsein für die Schrecken der Vergangenheit schärfen, sondern auch eine Brücke zur Gegenwart schlagen. Indem wir die historischen Ereignisse mit den aktuellen Diskussionen verknüpfen, können wir die Bedeutung der Ethik im Umgang mit Leben, Tod und individueller Selbstbestimmung besser verstehen. Dieses Projekt lädt dazu ein, gemeinsam über die Verantwortung der Gesellschaft und jedes Einzelnen in der Gestaltung einer inklusiven und respektvollen Zukunft nachzudenken.

Kranz zum Gedenken abgelegt durch seinen Urenkel auf dem Friedhof Bremen-Osterholz im Juni 2022

»Die Mahnung«

Möge die Entrechtung, körperliche und seelische Qual und die Tötung des Familienvaters von vier erwachsenen Kindern und mehreren Enkelkindern durch die Nationalsozialisten uns immer eine mahnende Erinnerung sein. 

»Nicht trauriges Mahnen einzelner sondern eine kollektive Verantwortung«

Ich möchte, dass die Geschichte der NS-Gesundheitspolitik als Verbrechen anerkannt, im kollektiven Gedächtnis bleibt und die heutige Gesellschaft es niemals zulassen darf, die Ermordung von Menschen euphemistisch als Euthanasie bezeichnet, so zu relativieren.

Rolf Allerdissen, Projektleiter und Urenkel Johann Wewers


Johann Wewer »ABGEMUSTERT« und die Verpflichtung zur Teilhabe

Die Geschichte von Johann Wewer »ABGEMUSTERT« steht nicht nur für eine individuelle Erfahrung, sondern auch für eine Erinnerung an die Verpflichtung zur Teilhabe am kulturellen Leben, wie im Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gefordert. Dieses Projekt geht jedoch noch weiter und setzt eine umfassende Barrierefreiheit um, wie sie im Artikel 9 der UN-BRK beschrieben wird. Es ist nicht nur ein Anspruch, sondern eine gelebte Realität, die darauf abzielt, dass jeder Mensch, unabhängig von seinen Fähigkeiten oder Einschränkungen, uneingeschränkt am kulturellen Leben teilnehmen kann.

Die Förderung der Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft, wie es im Artikel 8 der UN-BRK betont wird, ist ein zentrales Anliegen dieses Projekts. Es geht nicht nur darum, Barrieren zu beseitigen, sondern auch um ein tiefes Verständnis und Mitgefühl für die Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln. Indem wir Bewusstsein schaffen, können wir Vorurteile abbauen und eine inklusive Gesellschaft aufbauen, in der Vielfalt und Diversität geschätzt werden.

Inklusion ist ein Leitprinzip, das in jeder Phase der Entwicklung eine herausragende Rolle spielt. Jeder Schritt, den wir unternehmen, umfasst die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen. Hierbei sind verschiedene Aspekte von entscheidender Bedeutung, darunter die Schaffung allgemeiner Barrierefreiheit, um einen gerechten Zugang zu gewährleisten, sowie die Einbindung von Menschen mit Behinderungen bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen.

Das Projekt rund um Johann Wewer »ABGEMUSTERT« erinnert uns nicht nur an die dunklen Kapitel der Geschichte, sondern fordert uns auch heraus, eine Gesellschaft zu schaffen, die die Rechte und Bedürfnisse aller Menschen respektiert und fördert. Es ist eine Erinnerung daran, dass Inklusion und Teilhabe grundlegende Werte sind, die wir aktiv in unserer heutigen Welt umsetzen sollten.