»6. Der Täter«

Ärztlicher Direktor der Nervenklinik Bremen

von Rolf Allerdissen (Leserdauer: ca. 25:30 Minuten)

Walther Albert Paul Bernhard Kaldewey  (* 10. Dezember 1896 in Mönchengladbach; † 13. Januar 1954) war ein deutscher Psychiater, der als „T4“-Gutachter massgeblich in die NS-Medizinverbrechen involviert war. Er gehörte zu den Ärzten, die ihre wissenschaftlichen Kenntnisse der NS-Rassen- und Gesundheitspolitik und vermeintlichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen unterordneten und damit zu Verbrechern wurden. Kaldewey war nachweislich Mitglied der Strafrechtskommission des Reichsministers für Justiz, Roland Freisler bei der Ausarbeitung, des Euthanasiegesetzes („Gesetz über Sterbehilfe bei unheilbar Kranken“). Dieses Gesetz wurde im Oktober 1940 verabschiedet, erlangte aber keine Rechtsgültigkeit. Vom 14. Oktober 1940 an bearbeitete Kaldewey im Rahmen der „Euthanasie“-Aktion als medizinischer Gutachter Meldebögen von Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Ellen in Bremen und entschied anhand der Aktenlage, welche Patienten in den NS-Tötungsanstalten als „Euthanasiefall“ vergast werden sollten. Er war ebenfalls als Beisitzer am Bremer Erbgesundheitsgericht tätig, bei dem Entscheidungen zur Zwangssterilation damals sogenannter Erbkranker, getroffen wurde.

Walther Kaldewey um 1934 – Staatsarchiv Bremen

Kaldewey wechselte besonders wegen seiner treuen Haltung dem Führer der NSDAP, Adolf Hitler und der Ideologie des Nationalsozialismus gegenüber zum 1. Dezember 1939 von der ärztlichen Leitung der Heil- und Pflegeanstalt Marsberg auf den Posten als Direktor an die Heil- und Pflegeanstalt Ellen in Bremen und bekleidete diese Funktion bis zum 6. Juni 1945, 11 Tage nach seiner Verhaftung durch die britische Militärregierung.

Seiner Aussage nach wurde auf Veranlassung durch die bremische Gesundheitsbehörde ab 1939 Patienten aus Kaldeweys Klinik in Begleitung eines Oberarztes in die Tötungsanstalt Obrawalde/Meseritz bzw. Hadamar deportiert.

Kaldewey war bereits am 1. Juli 1931 der NSDAP beigetreten. Am 30 Mai 1936 wurde ihm ein Beschluss des Kreisgericht Soest der NSDAP zugestellt. Seine Mitgliedschaft in der Freimaurerloge „Hermann zum Lande der Berge“ in Wuppertal/Elberfeld von 1923 – 1931 ist nach Rundschreiben Nr. 12 des Obersten Parteigerichts vom 8. Januar 1934 Grund dafür gewesen, ihm die Befähigung zum Bekleiden eines Parteiamts auf Lebenszeit abzuerkennen.

Er gehörte seit dem 23. März 1932 der SA an und stieg in dieser NS-Organisation bis zum Rang eines Sanitäts-Obersturmbannführer (vergleichbar eines Sanitäts-Oberstleutnant) auf. Er war auch Mitglied des NS-Ärztebundes ab 1933. Entgegen anderen Veröffentlichungen gab er laut eigenen Aussagen in der Internierungszeit aber Widersprüchliches an. Die Mitgliedschaft in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) vermutlich seit 1934 und auch sein Engagement beim Amt für Volksgesundheit der Deutschen Arbeitsfront (DAF) ist in verschiedenen Fragebögen unterschiedlich beantwortet bzw. auch verneint. Von der NSV solle er während der Kriegsjahre auch finanzielle Zuwendungen bekommen haben. Ob seine schriftlichen Versicherungen der Realität entsprechen kann bis heute nicht belegt werden. Er bestätigte jedoch seine Mitgliedschaften im Reichskolonialbund (RKB) ab 1937/38, seine obligatorische Mitgliedschaft im Reichsluftschutzbund (RLB) sowie im Volksbund der Deutschen im Ausland (VBA) mehrmals.

»Ein tadelloser Nationalsozialist«

Aus der Akte 4.66 – I. – 5262 im Staatsarchiv Bremen ist folgende Abschrift übernommen:

Antwort auf das Schreiben des Dr. Broda vom Sonderausschuss für Kriegsprophylaxis, Haarlem/Holland vom 15. Nov. 1934

Der Direktor der Provinzial-Heilanstalt

Eickelborn, den 17. Dezember 1934

An die holländische Gesellschaft zur Förderung der Heilkunst in Haarlem.

Ich habe Ihren Brief erhalten, dass die Welt sich heute in einer Periode schlimmster Kriegshetze befindet, ist gerade für unseren Deutschen nichts Neues. Stehen doch wir bei dieser Hetze im Mittelpunkte, richtet sich doch diese Hetze in erster Linie gegen uns.

Deutschland hat kein Interesse an einem Kriege. Ein Land, dass 2 Millionen seiner Besten dahin gegeben hat, kann nicht wünschen, ein solches Volksopfer noch einmal zu bringen. Für ein Ziel, dass dieses Opfer nicht wert ist. Ein Land, wie unser deutsches Vaterland, dass auf dem Fundament der Pflege seines besten Volks- und Rassengutes ruht, wird diese Besten nicht aus einer Politik heraus opfern, die zum Ziel weiter nichts, als die Erfüllung kapitalistischer oder gruppenegoistischer Interessen hat, Ziele, wie sie sich alle Völker um Deutschland herumstecken. Deutschland will und muss in Frieden leben. Unsere Staatsmänner, zu denen wir unbegrenztes Vertrauen haben, hetzen nicht zum Kriege, sondern erziehen das Volk zu ehrlicher Arbeit. Wir Deutschen wollen uns endlich unser völkisches Haus bauen und ungestört darin wohnen, leben und arbeiten können. Das aber ist für uns Deutsche von jeher deshalb schwer gewesen, weil man uns nicht in Frieden leben lassen wollte. Wir wohnen im Herzen Europas, bedrängt von schwerstgerüsteten Gegnern. Die Zeit nach dem großen Kriege hat uns gelehrt, was da heißt: Wir müssen uns daher schützen. Dieser Wille zum Schutze unseres Volkes, unseres Bodens, und der Mütter und Kinder kann daher bei der fruchtbaren uns umgebenden Rüstung der europäischen Völker bei uns kein Willen zum Kriege bedeuten. Unser kleines Heer ist kaum in der Lage, einen wirksamen Schutz kleinen Völkern, wie Belgien, Tschecheslowakei u.s.w. gegenüber eintreten zu lassen, beziehungsweise, und gar vor dem Eindringen mächtiger Gegner zu bewahren. Wir haben also nur Interesse daran, dass ein Krieg verhindert wird, der Europa und seine weitere Möglichkeit zur Erfüllung der Mission der weißen Völker vernichten muss. Wir erwarten aber von einer internationalen Zusammenarbeit in dieser Richtung, aber nichts mehr, nachdem die Acra des Völkerbundes und des Abrüstungrummels nur zu einem Rüstungswahnsinn geführt hat, gegen den, die Vorkriegsverhältnisse ein Spiel mit Zinnsoldaten waren. Unser Weg, den Krieg zu verhüten, ist die Achtung und Liebe zu unserem deutschen Volke und seinem biologisch prächtigen Menschenmaterial und seiner Pflege durch entsprechende gesundheitliche Maßnahmen. Wenn die Welt gelernt hat, einzusehen, dass die Absicht unseres Führers Adolf Hitler die reinsten und edelsten sind, wenn sie eingesehen haben wird, dass dieser Mann weit über die Grenzen unseres Vaterlands hinaus Bedeutung hat, wenn sie eingesehen haben, wird das, der Nationalsozialismus eine neue Epoche der Weltgeschichte und vor allem der europäischen Geschichte eingeleitet hat, dann wird ein Krieg nicht mehr möglich sein. Denn der Nationalsozialismus verlangt nichts weiter, als dass die Völker, ihren Volksgenossen als ein Pfund Ansehen, mit dem zum Zwecke der Veredelung und Vermehrung wuchert werden soll. Wir haben bei uns den Anfang gemacht und verlangen, dass man uns diese Arbeit an unseren Volkskörper in Ruhe und Frieden tun lässt. Wir sind zu sehr enttäuscht worden, als dass wir auf Worte bauen, die auf internationalen Tagungen die Möglichkeit der Verhinderung eines Krieges keineswegs erkennen lassen. Das Netz internationaler Redereien hat uns in Fesseln geschlagen. Wir haben uns davon frei gemacht. Wir achten und ehren die anderen Völker als in sich abgeschlossene Völker und geschichtlich gewonnene Einheiten. Uns aber will man nicht einmal die Gleichberechtigung zuerkennen. Wir sind nicht gewillt, unsere Zukunft noch einmal so aufs Spiel zu setzen, wie es 1918 geschehen ist, als man die Sätze Wilsons zu Sklavenketten für uns arbeitete. Unsere Parteiideologen haben sich durch Worte verbinden lassen, und die Folge war der Niedergang des gesamten deutschen Volkes bis in furchtbares wirtschaftliches Elend hinein.

Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Über alles schätzen und lieben wir unsere völkische Ehre. Das neue Deutschland muss seinen Weg allein gehen, so wie ihn Adolf Hitler, zum Glück für uns alle, gegen eine Welt von Feinden allein gegangen ist.

Der Starke ist am Mächtigsten allein.

Der deutsche Psychiater und Neurologe aber kann diese bei uns in der Entwicklung begriffen und für die Welt auf der man der Weltepoche nur dankbarst begrüßen. Wir haben eine große, völkische Aufgabe erhalten, die sich nicht auf Individualismus, sondern auf die Arbeit am gesamten Volkskörper mit dem Ziel der Ausrottung der Erb- und Volkskrankheiten erstreckt. Wir sind die ersten Diener der Volksgesundheit geworden. Die Gesundheit steht im Vordergrund und nicht die Krankheit. Die Nation des Nationalsozialismus mit seiner harten Wirklichkeit, seiner Lebensauffassung und biologisch begründeten Weltauffassung hat die Neurose überwunden. Diese Neurose ist bei Individuen und Völkern durch eine Zeitepoche individualisierten Gepräges gezüchtet worden. Krankheit bedeutet Gewinn und hat diese Bedeutung auch heute noch bei vielen so genannten Kulturvölkern. Bei uns ist nur Gesundheit ein Gewinn, und diese Gesundheitsstreckung ist der erste Feind der Neurose. Die Neurose ist ihres Wertes ein entgleitet. Diese Beseitigung der Neurose aber lässt uns stahlhart die Ereignisse der Zeit schauen. Diese Zeit werden wir meistern und das gesamte deutsche Volk mit Ausnahme weniger Gestriger und ewig Gestriger. Setz dich mit Aufopferung ohnegleichen dafür ein. Wir haben schon heute in dieser Beziehung einen Vorsprung, vor allem anderen Nationen, einen Vorsprung, den die Welt zwar noch nicht erkennt oder nicht erkennen will, beziehungsweise mit allem anderen Mitteln der Lüge leugnet, der aber fraglos da ist, und dass er da ist, das zeigt uns, die zum Kriege gegen Deutschland aufwühlende vor Hass strotzende internationale Hetz- Presse. 

Den Vorsprung anzuerkennen, wird aber die Welt eines Tages nicht umhin können. Wir wollen diesen Dienst nicht nur des eigenen Volkes, sondern auch der gequälten Menschheit stellen. 

Die kommende Geschichtswelle pannordischer Ära wird der Welt einen neuen Auftrieb geben, auch ohne Krieg. Diesen werden und wollen wir verhindern, die Verhinderung ist eine der vornehmsten Aufgabe unserer Staatsführung. Wir tragen nicht für uns, sondern für Europa die Verantwortung. Diese Verantwortung kann zum Beispiel Frankreich nicht übernehmen. Seine Wege laufen nach Afrika. Die anderen Völker liegen auf der Lauer vor einander. Der ruhende Pol in der Erscheinungenflucht wird Deutschland im Herzen Europas sein. Alle, die dasselbe wollen wie wir, rufen wir auf, uns zu helfen.

Mit welchem Ergebnis, ist aus der Tagespresse leicht zu ersehen. Holland hat die Mittel, die Hetzpropaganda gegen Deutschland zum Schweigen zu bringen. Aber die heutigen Staaten sind zu schwach, die Regierung von viel zu vielen Interessen abhängig, als dass sie die Hetzpropaganda unterdrücken könnten. Von allen Völkern, die gutwillig sind, erwarten wir eine Aktion gegen diese Propaganda. Das wird die beste Kriegsverhütung sein.

Das trägt mehr zur Verhinderung kommender Kriege bei als das Gerede von Psychologen und Psychiater. Jedem Gutwilligen steht die Möglichkeit offen, an Ort und Stelle das neue Deutschland zu studieren und sich von der gemeinen Lügenhaftigkeit einer bestimmten Art internationalen Presse zu überzeugen. Wie wäre es, wenn auch die dortige Kommission sich einmal diesem Studium widmen würde? Jeder, der guten Willen mitbringt, ist uns herzlichst willkommen. Es wird Deutschland sehen, wie es ist, und nicht, wie es eine kapitalistischen Welt aus durchsichtigen Gründen zeichnet.

Der heutige Psychiater und Arzt in Deutschland ist Politiker. Er ist in erster Linie Deutscher und dann Arzt oder Arbeiter oder Kaufmann. Unsere Frage heißt nicht mehr: Was verdienst du für Geld, was hast du für eine Stellung, welchen Titel hast du? Sondern unsere Frage an die Volksgenossen lautet: Was tust du für dein Volk, und mit welchem Einsatz tust du es? Unsere Losung ist geworden: der Einzelne ist nichts, das deutsche Volk alles. Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen. Diesem Gedanken wird alles untergeordnet, und diesen Gedanken, dazu fordere ich Sie auf, zu studieren in allen seinen Tiefen, dazu kommen sie nach Deutschland. Wir stellen Ihnen alles zur Verfügung, damit sie mit ihrem Studium in die Tiefe des neuen deutschen Menschen bringen können. Wenn sie dann nach Hause kommen, dann werden sie wissen, dass eine Vereinigung von Psychiatern ein kümmerliches Werkzeug ist, um die Nöte einer Welt zu beheben! 

Heil Hitler! 

gez. Dr. Kaldewey

Provinzial-Obermedizinalrat

»Kaldeweys Beteiligung an den »Euthanasie«-Morden«

Ausschnitt aus der „T4“-Gutachterliste (Heidelberger Dokumente Nr. 127.891)

Kaldewey arbeitete an dem Entwurf zum 1940 zwar in Kraft getretenen aber nicht rechtsgültig gewordenen »Euthanasiegesetz« mit.

Walther Kaldewey zählte als einflussreicher Nationalsozialist im Gefüge der deutschen Psychiatrie zu den Protagonisten der nationalsozialistischen Kranken- und Behindertenmorde, wie sie in der Kinder-„Euthanasie“, der Aktion T4 und auch der nachfolgenden dezentralen „Aktion Brandt“ realisiert wurden. Obwohl er bei der Planung und Organisation der Kranken- und Behindertenmorde kein offizielles Amt einnahm, ist doch seine maßgebliche Rolle aufgrund seiner Stellung belegbar. Die diesbezüglichen Akten der der Strafrechtskommission des Reichsministers für Justiz sind im Bundesarchiv einsehbar.

Bei den Recherchen im Staatsarchiv Berlin fanden Mitglieder der Johann Wewer Gesellschaft e.V. Dokumente, die seine Mitwisser-/Mittäterschaft bestätigen. Die Protokolle von drei Sitzungen der Strafrechtskommission des Reichsministers für Justiz enthalten Kaldewey als Teilnehmer und protokollierten auch seine Redebeiträge zum Entwurf des »Euthanasiegesetz«.

Zur organisatorischen und fachlichen Vorbereitung der ersten Phase der Erwachsenen-„Euthanasie“ (Aktion T4) etablierte sich ein Kreis ausgesuchter Psychiater, der sich am 10. August 1939 in Berlin traf und dem neben den weiteren Hauptakteuren wie Philipp Bouhler, Viktor Brack, Hans Hefelmann, Herbert Linden, Karl Brandt, Werner Heyde, Carl Schneider, Hans Heinze, Dr. Max de Crinis, Walter Schultze, Dr. Valentin Falthauser, Dr. Erwin Jekelius auch Walther Kaldewey angehörte. Zu den Aufgaben dieses Kreises zählte auch die Anwerbung von geeignetem „Fachpersonal“. In einem Treffen Anfang Februar 1940 in Berlin sollten geladene Ärzte als Gutachter, darunter auch Kaldewey für die Aktion „T4“ gewonnen werden.

Vom 28. Februar 1940 bis 29. Januar 1941 war Kaldewey an der Ermordung von Psychiatriepatienten als einer der reichsweiten 42 „T4“-Gutachter beteiligt.

Täter und ihre Motive

Zu den Hauptverantwortlichen der nationalsozialistischen Patientenmorde zählen die beiden »Euthanasie«-Beauftragten Hitlers Reichsleiter Philipp Bouhler, Chef der Kanzlei des Führers, und Karl Brandt, Hitlers Begleitarzt und späterer Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen. Während Philipp Bouhler sich 1945 suizidierte, wurde Karl Brandt 1946 im Nürnberger Ärzteprozeß angeklagt und zum Tode verurteilt. Er verteidigte seine Beteiligung an der »Euthanasie«-Aktion wie folgt: Bei der »Euthanasie« sei es nicht um Beseitigung eines Menschen überhaupt gegangen, „[…] sondern es hat sich darum gehandelt, ihn frei zu machen von dem Leiden, das auf ihm lag.“

Karl Brandt stilisierte sich im Nürnberger Ärzteprozeß als Idealist mit humanen Intentionen die operative Durchführung der »Euthanasie«-Aktion habe bei Philipp Bouhler und der Kanzlei des Führers gelegen. Geleitet wurde die Dienststelle der »Euthanasie«-Aktion von Viktor Brack, einem Wirtschaftsingenieur, mit einer engen Beziehung zum Reichsführer SS Heinrich Himmler. Auch Viktor Brack wurde im Nürnberger Ärzteprozeß zum Tode verurteilt und wie Karl Brandt 1948 hingerichtet. Der zentrale »Euthanasie«-Apparat mit seinem Hauptsitz in der Berliner Tiergartenstraße 4 umfaßte etwa 60 – 80 Personen: Ärzte, Verwaltungsangestellte, Handwerker und Kraftfahrer. In den Tötungsanstalten der »Euthanasie«-Aktion waren jeweils zwei Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltungs- und Büropersonal, Standesbeamte, Fahrer, Wachmänner und Leichenbrenner tätig, insgesamt 60 – 100 Personen. Das Personal wurde von der Zentraldienststelle der »Euthanasie«-Aktion angeworben, zum Teil auch über die Gauleiter der NSDAP dienstverpflichtet und genoß zahlreiche Privilegien: man mußte nicht an die Front, regelmäßig wurden Betriebsausflüge und Feierlichkeiten organisiert.     

Die 42 ärztlichen Gutachter, darunter namhafte Lehrstuhlinhaber der Psychiatrie, unterstanden der Medizinischen Abteilung der »Euthanasie«-Aktion, die bis 1941 von Prof. Dr. Werner Heyde aus Würzburg und dann von Prof. Hermann Paul Nitsche geleitet wurde. Unter den Gutachtern der »Euthanasie«-Aktion finden sich überzeugte Rassenhygieniker, opportunistische und ehrgeizige Karrieristen, wie der Eichberger Anstaltsdirektor Friedrich Mennecke, und an Gehorsam und Pflichterfüllung gewöhnte akribische Beamte wie der Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar, Hermann Pfannmüller. In vorauseilendem Gehorsam schlug er seiner vorgesetzten Behörde, der Regierung von Oberbayern eine „wirkliche Sparmaßnahme“ vor: „Ich erachte es an dieser Stelle für angebracht einmal offen und mit aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass wir Ärzte hinsichtlich ärztlicher Betreuung lebensunwerten Lebens auch die letzte Konsequenz im Sinne der Ausmerze ziehen.“

Viele Psychiater hatten das Gefühl, durch die  »Euthanasie«-Aktion an einem großen „Erlösungswerk“ mitzuwirken. Unter den älteren Psychiatern sind Hermann Paul Nitsche oder Valentin Faltlhauser aus Kaufbeuren während der Weimarer Republik für die Reformbestrebungen der offenen Fürsorge, der Familienpflege und der Frühentlassung in der Psychiatrie eingetreten. Der Heidelberger Lehrstuhlinhaber Carl Schneider setzte sich in den 1930er Jahren für die aktive Krankenbehandlung und die Arbeitstherapie ein. Für ihn – wie für viele andere Psychiater der »Euthanasie«-Aktion – stellten Heilen und Vernichten keinen Gegensatz dar. Die durch die Vernichtung der unheilbar kranken eingesparten Mittel sollten für eine intensive Therapie der heilbaren Patienten mit den Methoden der modernen Schocktherapien (Insulinkoma-, Cardiazol- bzw. Elektrokrampftherapie) und der Arbeitstherapie eingesetzt werden. In einer von Carl Schneider, Hermann Paul Nitsche und Ernst Rüdin verfaßten Denkschrift zur Lage der Psychiatrie aus dem Jahr 1943 heißt es:
„Aber auch die Massnahmen der »Euthanasie« werden umso mehr allgemeines Verständnis und Billigung finden, als sichergestellt und bekannt wird, dass in jedem Fall bei psychischen Erkrankungen alle Möglichkeiten erschöpft werden, um die Kranken zu heilen oder doch so weit zu bessern, dass sie, sei es in ihren Berufen, sei es in einer anderen Form volkswirtschaftlicher wertvoller Betätigung zugeführt werden.“
Aber nicht nur für die Ärzte der »Euthanasie«-Aktion war die Ideologie der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ entscheidendes Motiv ihrer Beteiligung an den Patientenmorden. Auch das unmittelbar an der Ausführung der Morde  beteiligte Personal hatte die rassenhygienische und ökonomische Abwertung der betroffenen Menschen verinnerlicht. So sagte Georg Frentzel, als Mitglied des Einsatzkommandos 8 an der Vernichtung der Psychiatriepatienten in Mogilew/Weißrußland beteiligt, in dem in der DDR gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren aus: „Durch ihre Krankheit waren diese Menschen mit ‚ungesunden Erbanlagen‘ behaftet, somit minderwertig, arbeitsunfähig und stellten außerdem nutzlose Esser dar.“

Nach Kriegsende

Nach Kriegsende befand er sich bis 1948 in britischer Internierung bzw. in Bremen in Haft und wurde nach seiner Entlassung in einem Spruchkammerverfahren Ende 1949 als Mitläufer eingeordnet. Er musste im Jahr 1950 als Sühne eine Summe von DM 110,00 an die Bremer Volkshilfe zahlen. Ein Ratengesuch Kaldeweys wurde aus abrechungstechnischen Gründen bei der Bremer Volkshilfe , vom Amt für politische Befreiung nicht bewilligt.

»Kaldeweys Erscheinung«

Teil der Akte aus dem Internierungslager Bremen-Riespott von 1948 (Staatsarchiv Bremen)

»Schule und Ausbildung«

Schulische Ausbildung

1906 – 1915 Vorschule der Oberrealschule, Gymnasium und Realgymnasium in Wuppertal-Elberfeld

8. Juni 1915 Abitur in Wuppertal-Elberfeld

Januar 1919 Studium der Medizin in Münster, Düsseldorf und Berlin.

9. Mai 1922 Staatsexamen mit der Note gut in Berlin.

1. Dezember 1922 Doktordiplom und Approbation in Berlin.

Militärdienst


Walther Kaldewey – Staatsarchiv Bremen

ab 10. Juni 1915 Kriegsdienst in Flandern und Frankreich im Rang eines Leutnants bei der Königlich Preussischen Infanterie – schwere Verletzung am rechten Unterschenkel laut Verlust-Liste Nr 1873 (30. April 1918) unter dem Namen Bernhard Kaldewey.

bis 31.03.1920 zuletzt Adjutant beim Garnisonskommando Münster der Reichswehr.

1. Oktober 1940 – 31. Dezember 1943 im Reservelazarett Bremen als Stabsarzt

1. Januar 1944 – Mai 1945 Oberstabsarzt im Reservelazarett Bremen dort ab Herbst 1944 auch als NS-Führungsoffizier (NSFO)*

Auszeichnungen: Eisernes Kreuz II. Klasse, Kriegsverdienstkreuz II. Klasse, schwarzes Verwundetenabzeichen

* in ihren Schulungen indoktrinierten die NS-Führungsoffiziere, Männer die im nationalsozialistischen Sinn „einwandfrei“ waren, Wehrmachtsangehörige mit antisemitischer Propaganda wie der Vorstellungen, Juden wären Parasiten und gehörten ausgerottet.

Berufliche Ausbildung

1.Januar 1923 – 31. Juni 1923 Pathologisches Institut am Krankenhaus Wuppertal-Elberfeld vorläufiger Assistent und Prosektur bei Dr. B. Funccius im Bereich Hygiene und Pathologie

1.Juli 1923 – 30. September 1923 vorläufiger Assistent Heil- und Pflegeanstalt Bonn

1.Oktober 1923 – 30. September 1925 Universitätsklinikum Bonn als Assistent von Prof. Dr. Westphal und Assistenzarzt im Bereich Neurologie und Psychiatrie

1.Oktober 1925 – 31. Mai 1929 Krankenhaus Nürnberg inklusive im Herbst 1927 vier Wochen zur Erholung in Holland. Als Assistenzarzt später Oberarzt im Bereich Neurologie und Psychiatrie

1.Juni 1929 – 31. Mai 1930 Nervenklinik der Universität Leipzig als Assistenzarzt im Bereich Neurologie und Psychiatrie

1.Juni 1930 – 31. Mai 1931 als Assistenzarzt am Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung im Bereich Gehirnforschung

Berufsausübung

1.Juni 1931 – 14. Februar 1934 Oberarzt an der Heil- und Pflegeanstalt Hildesheim im Bereich Neurologie und Psychiatrie

15. Februar 1934 – 30. September 1936 zunächst Assistenzarzt später Ärztlicher Direktor an der Prozinzial-Heilanstalt Eickelborn im Bereich Neurologie und Psychiatrie

1.Oktober 1936 – 30. November 1939 Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Marsberg im Bereich Neurologie und Psychiatrie

1. Dezember 1939 – 6. Juni 1945 Direktor an die Heil- und Pflegeanstalt Ellen in Bremen im Bereich Neurologie und Psychiatrie, Entlassung aus politischen Gründen

1950 – 1954 eigene Praxis als Nervenarzt in Bremen-Schwachhausen

»Familie«

Kaldeweys Eltern stammten aus Potsdam. Sein Vater war der Realschul-Zeichenlehrer Martin Bernhard Ferdinand Kaldewey (1868–1929) und dessen Ehefrau Louise Elsbeth geb. Süsser (1869–1947) seine Mutter.

Walter Kaldewey war zweimal verheiratet und hatte sechs Kinder. Er war mit Gerda Wolf von 1930 bis 1938 kinderlos verheiratet. Am 20. Januar 1940 heiratete er die SS Lebensborn-Hebamme Antonia Scherer in Pernitz, Niederösterreich, mit der er sechs Kinder, zwei davon bereits vor der Ehe hatte.

Familie Kaldewey wohnte seit seiner Anstellung in Bremen offiziell auf dem Gelände der Nervenklinik an der Osterholzer Landstr. 51. Er lebte aber von 1939 an in einer großzügigen Stadt-Villa mit Garten an der Rockswinkeler Heerstraße in Bremen-Oberneuland bis 1952 bevor er in die Tettenbornstr. nach Bremen-Schwachhausen zog.

Laut einem Schreiben vom 23. Juli 1950 trug er gegenüber dem Amt für politische Befreiung vor, dass er kürzlich Vater von Zwillingen geworden sei um einen Kostenaufschub für das Sühnegeld zu erlangen. .

Die Familie Kaldewey lebte privat privilegiert, verglichen mit anderen Angestellten. Dr. Kaldewey ging laut einer Aussage von seiner Ehefrau Toni in einem Interview mit der freien Journalistin Dorothee Schmitz-Köster als Lebensborn-Expertin im SS-Lebensborn-Heim „Friesland“ ein und aus, obwohl Männer, die nicht im Heim angestellt waren, im Haus „nichts zu suchen hatten“, wie Toni Kaldewey sich ausdrückte. Vorträge im Rahmen des Mütter-Schulungsprogramms wurden von Walther Kaldewey regelmäßig gehalten.

»Handeln auf Befehl«

Viele bei der Strafverfolgung beschuldigten Mediziner und Psychiater, aber auch Angehörige des Pflegepersonals, argumentierten, ihnen sei die Tat meist von Vorgesetzten aufgefordert worden. Die Rechtfertigungsversuche von Kaldewey und vielen seiner Kollegen wurden bereits in der frühen Phase der Strafverfahren widerlegt. Es wurde auch nachgewiesen, dass die Anwerbung als »Euthanasie«-Täter freiwillig erfolgt war.

»Kaldeweys Internierung von 1945 – 1948«

Walther Kaldewey 1946 – Staatsarchiv Bremen

Die Festnahme Kaldeweys wurde auf der Tatsache begründet, dass er als Mitglied der NSDAP auch dem Rang eines SA-Obersturmbannführers inne hatte. Er wurde ab dem 26. Mai 1945 zunächst in Westertimke im britischen Zivilinternierungslagern für Nationalsozialisten, dem No. 2 Civil Internment Camp „No. 2 CIC“ inhaftiert. Anschließend kam er nach Esterwegen ins Lager „No. 9 CIC“, dass dann in Lager „No. 101 CIC“ umbenannt wurde. Das Lager wurde von kanadischen Truppen bewacht.

Dann folgte die Verlegung nach Hemer bei Iserlohn ins Camp Roosevelt (deutsch übersetzt: Lager Roosevelt) „No. 7 CIC“. Das Lager wurde von der Britische Rheinarmee betrieben.

Kaldewey wurde anschließend im Lager Eselheide für mutmaßliche Kriegsverbrecher, Funktionäre der NSDAP und staatliche Funktionsträger in der Senne bei Stukenbrock (zwischen Gütersloh, Bielefeld, Paderborn und Detmold) interniert. Das Lager war als Civil Internment Camp No. 7 die Nachfolgeeinrichtung des bis September 1946 betriebenen Camp Roosevelt.

Es folgte ein Internierung in Hamburg-Fischbek und ab dem 28. August 1947 bis zum 9. April 1948 in Neuengamme.

Walther Kaldewey 1948 – Staatsarchiv Bremen

Ab 09. April 1948 wurde er in Bremen Lager Riespott inhaftiert aus dem er am 14. Mai 1948 gegen 16:00 Uhr floh. Er wurde später in der Villa der Familie in der Rockwinkler Heerstr. 134 in Bremen-Oberneuland festgenommen und um 23:00 Uhr in das Polizeigefängnis Bremen verbracht.

Aussage am 15. Juni 1948 bei der Polizei Bremen nach seiner Festnahme

Seine Entlassung aus dem Lager Riespott erfolgte nach über dreijähriger Gesamtinternierung am 4. Juni 1948.

Er arbeitete nach seiner Entlassung ab 1948 als niedergelassener Psychiater in einer eigenen Praxis in Bremen und bearbeitete zudem als Gutachter Renten- und Entschädigungsfragen. Als Fachgutachter versagte er den antragstellenden NS-Opfern größtenteils die Gewährung von Renten oder Entschädigungen oftmals mit der Begründung, dass bei den Begutachteten „seelische Bereicherungen durch KZ-Haft“ und/oder „Rentenneurosen“ vorliegen würden.

»Verhandlungen gegen Kaldewey«

In den Akten Akte 4.66 – I. – 5262 des Staatsarchivs Bremen befindet sich weiterhin eine:

Abschrift aus der Hauptakte

Dr. med. Walter Kaldewey, Bremen, Rockwinkeler Heerstraße 134 

Bremen, den 12. Januar 1949. 

Betr.: „Euthanasie“ 

Hinsichtlich des mir immer wieder gemachten Vorwurf, ich hätte etwas mit der so genannten „Euthanasie“ in (Tötung Lebensunwerter) zu tun gehabt, bemerke ich folgendes: solange ich Arzt bin, habe ich die Tötung lebensunwerten Lebens immer abgelehnt, weil eine gesetzliche Regelung nicht bestanden hat. Insbesondere in den Jahren, in denen, wie allgemein bekannt geworden ist, sogenannte Lebensunwerte getötet worden sind, habe ich nichts damit zu tun gehabt. Auch an der von mir geleiteten Bremer Nervenklinik der städtischen Krankenanstalten ist so etwas nicht vorgekommen. Das hätte ja auch das Personal der Anstalt, insbesondere Ärzte und Schwestern, wissen müssen.

Dass ich überhaupt einer solchen Sache verdächtigt wurde, beruht auf einer wissentlich falschen Angabe eines Menschen, von dessen Existenz ich nichts wusste, der mich nicht kannte und den ich nicht kannte. Er ist mir den Namen und der Person nach erst in dem Augenblick bekannt geworden, als er im Gegenwart von Besatzungsangehörigen einen derartigen Verdacht laut werden ließ. Es ist allgemein bekannt, dass die Anstalt in Osterholz Anfang November 1943 einen schweren Bombenschaden erlebt. 38 Sprengbomben als Teil eines Bombenteppichs fielen in die Anstalt, richteten ausgediente Verwüstungen an und töteten ein Arzt-Ehepaar, drei Schwestern und an die 60 Kranke. 

Etliche Gebäude wurden durch Volltreffer zerstört, der Rest mehr oder weniger schwer beschädigt. Die Versorgung der Anstalt mit Licht, Wasser, Heizung, die Kanalisation war vollkommen unterbunden. Es bedurfte erst Monate langer Arbeiten, um die gröbsten Schäden zu beheben und die Anstalt wieder in den Stand zu setzen, wenigstens frisch erkrankte aufnehmen zu können. Von den etwa 850 Kranken der Anstalt saß ein großer Teil in den Tagen nach dem Bombenangriff so gut wie unter freien Himmel und konnte kaum versorgt werden. Was das bei psychisch kranken heißt, wird leicht verständlich sein. Es mussten also sofort Maßnahmen getroffen werden, um die Kranken, die nicht mehr ordnungsgemäß untergebracht und behandelt werden konnten, zu evakuieren.

Die Behörde schaltet sich gleich ein und traf Maßnahmen, dass die Kranken, in dem Ausweichskrankenhause der Organisation Todt in Kloster Blankenburg in Oldenburg, dass damals leer stand, untergebracht werden konnten. Es handelte sich zunächst um 300 Kranke, zu denen später noch 200 weitere kamen. In diesem Krankenhaus verbleiben die Kranken, unter provisorischen Verhältnissen mehrere Wochen. Sie wurden dort versorgt von Ärzten und Schwestern der Bremer Anstalt, weil sonstiges Personal in dem Ausweichkrankenhaus sich nicht fand. Die Bremer Behörde erteilte dann, offenbar auf Weisung Berliner Stellen, die Anordnung, die Kranken für einen Abtransport vorzubereiten.

Es wurde behördlicherseits, ein Transportzug zur Verfügung gestellt, der etwa 500 ehemalige Kranke der Anstalt in die Anstalt Meseritz–Obrawalde verbringen sollte. Der Zug wurde von Schwestern, Pflegern und einem Arzt der Anstalt begleitet. Um die Kranken unterwegs entsprechend versorgen und beaufsichtigen zu können. Da die Anstalt Meseritz, seinerzeit noch weit vom Schuss lag, in einer völlig ruhigen Gegend, so glaubten die Bremer Behörden alles für eine ordnungsgemäße Unterbringung der Kranken getan zu haben.

Erst im Laufe des Jahres 1944 sickerten Gerüchte durch, dass ein Teil der nach Meseritz, überführten Kranken, nicht auf natürliche Weise verstorben sei. Über die jeweilige Todesursache erfuhr man in Bremen nichts. Die Todesanzeigen gingen vereinbarungsgemäß an die Bremer Gesundheitspolizei, der die etwas hohe Todesfallziffer auf viel. Es tauchte die Vermutung auf, dass etliche der Kranken dort „euthanasiert“ worden sei.

Es kann vorweg genommen werden, dass nach Zeitungsnachrichten, von denen ich im Jahre 1946 hörte, der Direktor dieser Anstalt und eine Ärztin zum Tode verurteilt wurden. Die Namen beiden Personen sind mir unbekannt, sowohl dem Namen der Person nach. Mit diesem Sterben der Kranken wurde ich in Zusammenhang gebracht.

Dazu ist folgendes zu sagen, als ehemaliger Direktor der Anstalt konnte und durfte ich von mir aus überhaupt keinen Kranken in der Anstalt, woanders hin, verlegen, weil schon allein aus dem Grunde, der Entrichtung eines höheren Pflegesatzes in außerbremischen Anstalten, die Behörde die Verlegung von Kranken genehmigen musste. Eine solche Verlegung war nur dann möglich, wenn die Bremer Anstalt überfüllt und nicht mehr aufnahmefähig war.

Es sind daher schon vor meiner Zeit des öfteren Kranke in andere Anstalten verlegt worden. Das geschah alle Male nur auf Weisung der Bremer Behörde, Senator für innere Verwaltung im Verein mit dem zuständigen Sachbearbeiter, d.h. dem Präsidenten des Hauptgesundheitsamtes. Dem damaligen Präsidenten des Gesundheitsamtes wurde ebenfalls der Vorwurf gemacht, mit der „Euthanasie“ etwas zu tun gehabt zu haben. Er ist inzwischen in einem amerikanischen Lager längst deswegen freigesprochen worden, weil die Dinge ganz klar lagen.

Ich selber aber wurde von Mai 46 bis August 47 als Kriegsverbrecher behandelt, warum habe ich nie erfahren, wahrscheinlich wegen der angeblichen Teilnahme an der „Euthanasie“ der Bremer Kranken. Dann, und auf diese Weise erfuhr ich überhaupt erst mal genaueres über mein Kriegsverbrechen, wurde die Sache offenbar auf Veranlassung der englischen Behörde, von der Bremer Staatsanwaltschaft, genaustens untersucht. Nach acht Monaten wurde das Verfahren niedergeschlagen.

Der Niederschlagungsbescheid befindet sich in Händen meines Rechtsanwalts Langer. Der Termin meiner Entlassung aus dem Lager Neuengamme, in dem ich mich damals befand, wurde darauf hin auf den 13. April festgesetzt, doch wurde ich kurz vorher von Bremer Polizeiorganen nach dem Lager Riespott überführt und hier zwei Monate später entlassen. Nachdem ich bis August 47 als W.C. „war criminal“ geführt wurde, war ich in Neuengamme als C.A.R. „criminal against humanity“ registriert. Ich kann noch anführen, dass ich von einem englischen Vernehmer bei der Einlieferung in das Kriegsverbrecherlager Fischbeck gefragt wurde, weshalb ich dort sei. Auf meine Entgegnung, das habe man mir bisher nicht gesagt, wurde mir die Antwort zu Teil sie haben „Geisteskranke getötet“ aus diesem Grunde wurde ich nun offenbar mit anderen in dem Block der Massenmörder, durch vierfachen Drahtzaun und Sonderbewachung gesichert, untergebracht. Ich kann hinzufügen, dass fast sämtliche 350 dieser so genannten Massenmörder in weiterer Folge nach Neuengamme überführt wurden und dort fast alle schon vor meiner Überführung nach Bremen sofort entlassen wurden.

gez. Dr. Kaldewey

»Gegenargumente«

Kaldewey könnte als Gutachter eine Unkenntnis über die Folgen seiner Einträge in den Meldebogenformularen nicht für sich reklamieren. Die hinter dem Verfahren stehenden Absichten waren ihm nicht nur durch die Meldebogenkriterien bekannt, vielmehr war er von den Bürokraten der Zentraldienststelle in der Berliner Tiergartenstr. 4 persönlich instruiert worden. 1941 hatte er wie alle Gutachter nach Berlin reisen müssen, um sich dort, in „sämtliche Einzelheiten“ der „Sonderaktion“ einweihen zu lassen. Also kannte er nicht nur den tatsächlichen Zweck des Meldebogenverfahrens, sondern die Struktur des gesamten Vernichtungsapparats. Üblich war auch ein Besuch mit der Demonstration des „Abspritzens von Patienten“ in einer Berliner Anstalt verbunden gewesen. Diese Angabe bezieht Glaubwürdigkeit aus der Tatsache, dass die „Euthanasiezentrale“ in der Tat Anstaltsleiter einlud, um sie in die Erfassungs- und Tötungsmaßnahmen einzuweihen. Allerdings ist nur eine Konferenz dieser Art bekannt, die jedoch nicht 1941, sondern am 15. August 1940 in der Zentraldienststelle in Berlin stattfand. Der Kreis der Teilnehmer ist nicht überliefert, doch waren vor allem die 42 bekannten Gutachter anwesend.

»Spruchkammer-Verfahren von 1949«

Das Spruchkammerverfahren zur Entnazifizierung wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland eingesetzt, um Personen, die in irgendeiner Weise mit dem NS-Regime verbunden waren, zu beurteilen. Dabei wurden fünf Kategorien unterschieden:

  1. Hauptschuldige
  2. Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer)
  3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe)
  4. Mitläufer
  5. Entlastete

Im Fall von Dr. Walther Kaldewey wurde das Verfahren im Dezember 1949 abgeschlossen. Der Spruch der Spruchkammer lautete, dass Dr. Kaldewey als Mitläufer eingestuft wurde. Als Mitläufer (vierte von fünf Kategorien im Entnazifizierungsverfahren) galten Personen, die sich zwar nicht in nennenswertem Umfang aktiv an den Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt, aber auch keinen nennenswerten Widerstand geleistet hatten.

Nach Art. V der Kontrollratsdirektive Nr. 38 war Mitläufer, „wer nur als nomineller Parteigänger an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft teilgenommen oder sie unterstützt hat“, insbesondere „wer als Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen lediglich Mitgliedsbeiträge bezahlt, an Versammlungen, deren Besuch obligatorisch war, teilgenommen oder unbedeutende oder laufende Obliegenheiten, wie sie allen Mitgliedern vorgeschrieben waren, wahrgenommen hat“ oder aber „wer als früherer Angehöriger der Wehrmacht auf Grund seiner Fähigkeiten die Ziele der Alliierten gefährden könnte.“ Mögliche Sühnemaßnahmen gegen Mitläufer waren gem. Art. XI der Direktive Nr. 38 bestimmte Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen, der Verlust des passiven Wahlrechts, bestimmte Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit sowie die Auflage von Zahlungen an einen Wiedergutmachungsfonds.

Begründung

Einige der Zeugen waren als geisteskrank eingestufte Patienten von Kaldewey. Daher war es für die Spruchkammer schwierig, Beweise für Kaldeweys Verbrechen zu finden. Daher wurde er als Mitläufer eingestuft denn er bestritt nicht, dass er nur als nomineller Parteigänger an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft teilgenommen oder sie unterstützt hat. Obwohl Dr. Kaldewey als Mitläufer eingestuft wurde und die Beweise gegen ihn für eine andere Einstufung zwar zu schwach waren, ist er mit dem heutigen Wissen nicht vollständig von einer Beteiligung an Verbrechen des NS-Regimes freizusprechen.

Aus der Spruchbegründung der Spruchkammer von 6. Dezember 1948 (Staatsarchiv Bremen)

Abschrift aus der Akte Akte 4.66 – I. – 5262 des Staatsarchiv Bremen

Urschrift

V. Spruchkammer Bremen, Aktenzeichen VI . SP. B. 12/49 in I./OS. Nr. 1627, 

Bremen, den 6. Dezember 1949 

Spruch 

Aufgrund des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus vom 9. Mai 1947 erlies die V. Spruchkammer Bremen in der Sitzung vom 6. Dezember 1949 an welcher teilgenommen haben. 

  1. Fritz Nickau als Vorsitzer
  2. Karl Schweiger, Gustav Hartwig, Friedrich Alten, Alfred Müller als Beisitzer 
  3. Herr Thielker als öffentlicher Kläger, 
  4. Herr Osieka als Protokollführer. 
  1. gegen Dr. Walter Kardewey, Nervenarzt, 

geb. am 10. Dezember 1896

in München–Gladbach 

wohnahft Bremen – Oberneuland, 

Rockwinkeler, Heerstraße 134

aufgrund der mündlichen Verhandlung folgenden Spruch: 

Der Betroffene wird gemäß Art. 17 VIII in die Gruppe der Mitläufer eingestuft von weiteren Sühnemaßnahmen wird abgesehen. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Betroffenen zur Last. Der Streitwert beträgt DM 10.500 

Anlage Nr. 1 zum Spruch der V. Spruchkammern Bremen vom 6. Dezember 1949 in der Sache gegen den Nervenarzt Dr. Walter Kaldewey Aktenzeichen VI. SP. B. 12/49 

Gründe

Der Betroffene, 1896 geboren, ist von Beruf Nervenarzt. Er war Mitglied der NSDAP vom 1.10.1931 – 1945, der SA vom 23.3.1932 – 1945 mit dem Dienstgrad Sanitäts-Obersturmbannführer, sowie Mitglied von sechs Nebenorganisationen der NSDAP ohne ein Amt darin zu bekleiden. Wegen dieser formalen Belastung hat der öffentliche Kläger mit dem Antrag Klage erhoben, den Betroffenen in die Gruppe der Belasteten einzustufen und zur Begründung seines Klagebegehrens vorgetragen, dass der Betroffene aufgrund seiner Zugehörigkeit zur NSDAP und den Nebenorganisationen zu dem Personenkreis gehört, der in der Anlage zum Gesetz unter Teil A Abschnitt E Klasse II 4 und Teil A. Abschnitt E Klasse I 3 aufgeführt ist. Der öffentliche Träger Kläger hat den Betroffenen insbesondere zum Vorwurf gemacht, dass er durch seinen frühzeitigen Eintritt in die Partei im Jahre 1931, in die SA im Jahre 1932, sowie dem hier ein bekleideten Dienstrang eines Obersturmbannführers von 1933-1945 bewiesen hat, dass er ein überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft war. Der Betroffene hat sich, so führt der öffentliche Kläger weiter aus, von seinem Eintritt an aktiv als Propagandist für die Bewegung eingesetzt, sich als Redner betätigt, viele Vorträge gehalten, insbesondere auch über rassenpolitische Fragen. 

Wegen seiner Verdienste, um die NSDAP, sei auch seine Ernennung als Direktor der Anstalt Eickelborn erfolgt. Der Betroffene erfülle nach alledem die Tatbestände der Art. 7, I, 1 und 3, Art. 7, II, 1 und Art. 9, II, 1 Und ist die nach belasteter auf Antrag der Verteidigung ist die Durchführung des Verfahrens in mündlicher Verhandlung angeordnet worden. Nach der Durchführung der Verhandlung vom 17./18.10.1949, erklärte der öffentliche Kläger, dass die Kammer durch die Mitwirkung des Besitzers Jakobi befangen sei und lehnte eine Fortsetzung der Verhandlung ab. Er beantragte, über seinen Antrag einen Beschluss zu erlassen. Durch Beschluss vom 18.10.1949 hat die seinerzeit amtierende Kammer, aus dem in den Beschluss näher angegebenen Gründen die Fortsetzung der Verhandlung abgelehnt und sie die Sache in die Zuständigkeit einer anderen Kammer verwiesen. Der öffentliche Kläger schloss sich dieser Entscheidung an. Im Wege anderer weiter Geschäftsverteilung wurde die Durchführung des Verfahrens in die Zuständigkeit der V. Kammer verwiesen. In der erneut angeordneten mündlichen Verhandlung hat der Betroffene die Behauptungen der Klageschrift bestritten und ausgeführt, dass er nicht bestreitet, der NSDAP aus innerer Überzeugung deswegen beigetreten zu sein, um den bedrohten Vaterland zu helfen. Er habe neun Jahre eine Freimaurerloge angehört und sei aus dieser ausgetreten, weil er in der Arbeit für Deutschland die größere Aufgabe gesehen habe. Zu seinem Beitritt in die SA sei er aufgefordert worden, um die ärztliche Betreuung der SA-männer zu übernehmen. Wegen seiner später bekannt gewordenen früheren Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge sei ihm durch Beschluss des Kreisgerichts der NSDAP, Soest, den 30. Mai 1936, die Führerfähigkeit innerhalb der NSDAP auf Lebenszeit aberkannt worden.

Er müsse aber erklären, dass er von Grundgedanken des Nationalsozialismus keine Abkehr gezeigt habe und bis zum Kriegsschluss an den Grundgedanken des Nazismus geglaubt habe. Lediglich Mitte des Jahres 1944 habe er Zweifel am Ausgang des Krieges bekommen. Innerhalb der SA sei er aktiv am Aufbau der SA Sanitäts-Formationen beteiligt gewesen und habe auch Vorträge gehalten. Hierbei wurde die erbbiologischen Vorgänge bei Krankheit und die Persönlichkeitsentwicklung behandelt. Die Judenfrage wurde bei diesen Vorträgen überhaupt nicht angeschnitten. Das bei diesen Vorträgen auch auf das Ziel des Nationalsozialismus hinsichtlich der Reinhaltung der deutschen Rasse hingewiesen worden sei, könne er nicht bezweifeln. Keineswegs aber ist dabei von einer Vernichtung und oder Ausweisung der Juden gesprochen worden. Von dem Vorgehen bei der Röhmrevolte habe er durch seine Ehefrau Kenntnis erlangt. Er sei darüber sehr entsetzt gewesen und habe sich auch nichts Nicht erklären können, warum die Erschießung und Erfolg seien. Er habe das Vorgehen der SS gegen die SA als sehr bedrückend empfunden.

Anlage Nr. 2 zum Spruch der V. Spruchkammern Bremen vom 6. Dezember 1949 in der Sache gegen den Nervenarzt Doktor Walter Kaldewey Aktenzeichen VI. SP. B. 12/49 

Die Durchführung des Judenprogroms, an der er nicht teilgenommen habe, habe er in der gewählten Form als ein ausgemachten Unsinn befunden. Zusammenfassend muss er erklären, dass er nicht bestreiten können, zuverlässiger Nationalsozialist gewesen zu sein. Er müsse es aber mit aller Entschiedenheit ablehnen, als ein solcher Nationalsozialismus bezeichnet zu werden, der sich bewusst an irgendwelchen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt oder auch nur von solchen Kenntnis erlangt habe. zu dem ihm gemachten Vorwurf an der Durchführung der Euthanasie beteiligt gewesen zu sein oder auch nur von einer Durchführung der Euthanasie Kenntnis erlangt zu haben, könne er nur erklären, dass in der von ihm geleitetenanstalt in Bremen Osterholz zu keiner Zeit derartige Experimente auch nur versucht worden seien. Nach das Nachdem durch den Bombenschaden in Bremen Osterholz notwendig gewordenen Verlegungen von kranken, nach anderen Anstalten bekannt gewordenen, außergewöhnlichen Todesfällen, habe er sich selbst an das Ausweislager gewandt und um Mitteilung gebeten, durch was die außergewöhnlichen Sterbefälle, der verlegten kranken begründet sei. Eine Antwort sei jedoch niemals eingegangen. Wegen dieser mysteriöse Todesfälle der verlegten kranken sei es zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen dem damaligen Senator Fischer und Doktor sechs gekommen. Sie haben damals lediglich die Vermutung der Durchführung der Euthanasie gehabt. Hinsichtlich des Vorbringens des Betroffenen im Einzelnen wird auf die der Anstalt den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17./18.10.1949; 30.11.1949; 1.12.1949 und 6.12.1949 Bezug genommen. Als bei Akten waren die Personalakten des Betroffenen, als auch die Akten der Staatsanwaltschaft Bremen, Betreff des vor Verfahrens gegen den Betroffenen herangezogen worden. Ihr Inhalt wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme gemacht. In dem letzt genannten Verfahren waren den Betroffenen folgende Vergehen zu Last gelegt worden. Erstens der Betroffene habe in Kenntnis dessen, dass kranke in Hadamar oder Meteorits getötet wurden, Krankentransporte dorthin veranlasst, Zweitens der Betroffene habe in allen selbst Patienten dadurch getötet, dass er A kranken, das für sie wichtige und notwendige Luminaden entzogen habe, Bee kranke mit Überdosen von Luminaden behandelt habe, zehn Kranke, trotz vorhandenen Lebensmitteln sehr schlecht habe ernähren lassen, die kranken nicht die erforderlichen Medikamente habe Verab folgen lassen und die zugelassen habe, Dass durch den inzwischen verstorbenen Doktor hanging, dem vollkommen blöden Patienten Schrader 0-20 ccm Luft in die Vene gepumpt wurde, um Schraders Tod herbeizuführen.

Zu diesen Anklagepunkten hat die Staatsanwalt in dem Beschluss vom 16.6.1948 nach Vernehmung der Zeugen zu den einzelnen Punkten der Anklagestellung genommen und ist zum folgenden Entscheidung gelangt „ …weiter im Laufe des Verfahrens erhobene Beschuldigungen beruhten auf Darstellungen geisteskranker, die einer Nachprüfung im wesentlichen nicht standhalten. Der Beweis einer strafbaren Handlung des Beschuldigten war jedenfalls nicht zu erbringen. Demnach ist die Einstellung des Verfahrens geboten, zum Mai da eine Überprüfung der den Akten beigefügten Verwaltungsunterlagen, Krankengeschichten und sonstigen Urkunden, keine Beweise für eine strafbare Verhalten des Beschuldigten erbrachte. Der Bericht des Interrogation Center vom 7. August 1945, gipfelte in der Feststellung, dass nach gründlicher Prüfung der Korrespondenz von Berlin und Messe Witz, Messeritz keine Schuld in Bremen festgestellt ist. Anführungsstriche, trotz dem die Klageschrift im vorliegenden Verfahren den Betroffenen eine Teilnahme an der Durchführung der Euthanasie nicht zur Last gelegt hatte, ist in die Kammer bei der Zeugen Vernehmung auch auf diese Belastungen der Betroffenen eingegangen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich dieser Belastungen konnte jedoch die Kammer zu keinem anderen Ergebnis bringen, als seitens der Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung vom 16.6.1948 in ausführlicher Weise bereits festgestellt worden ist. Damit, musste eine Erfüllung der Tatbestände des Art. 5, 1 und 8 des Gesetzes durch die Betroffenen verneint werden. Der Betroffene hat jedoch zweifelsfrei, insbesondere nach seinem eigenen Erklärungen, mehr als nominell am Nationalsozialismus teilgenommen und ihn auch mehr als unwesentlich unterstützt. Eine Anwendung der Bestimmungen des Art. 12 des Gesetzes war daher nicht gegeben.

Anlage Nr. 3 zum Spruch der V. Spruchkammern Bremen vom 6. Dezember 1949 in der Sache gegen den Nervenarzt Dr. Walter Kaldewey Aktenzeichen VI. SP. B. 12/49

Auch die Aussagen der Belastungszeugen, auf die noch näher eingegangen ein zu gehen sein wird, in ihrer Ungenauigkeit und nicht einwandfreien Objektive Form geeignet sein können, positive Feststellungen zu treffen, so ergibt der Inhalt der Personalakten eindeutig die Einstellung des Betroffenen zum Nationalsozialismus wieder. Es ist deshalb erforderlich, einzelne Stellen wörtlich zu zitieren: in einem Schreiben an den Herrn Landeshauptmann vom 7.1.1934 schreibt der Betroffene (Die Abwicklung der Brigade Geschäfte hat sich als derart umfangreich herausgestellt, dass die Sache unter Umständen Schaden leiden würde. Ich bin dabei 1200 Sanitäts Mannschaften komplett auszurüsten und habe das Material schon teilweise bestellt. Der Nachweis meiner Parteizugehörigkeit und meiner Tätigkeit innerhalb der Partei wird dem Herrn Landeshauptmann in den nächsten Tagen zu gehen. Ebenso wird der Brigadeführer der Brigade 59, Kulz ebenfalls über mich berichten! Ich habe auf seine Veranlassung hin eine größere Reihe von Schulungsvorträgen über Rassenfragen und Bevölkerungspolitik gehalten. Die Kreisleitung Hildesheim bescheinigt den Betroffenen unter dem 16.1.1934 Parteigenosse Kaldewey hat sich für unsere Bewegung sehr warm und tatkräftig eingesetzt und hat vor allem Dingen in der SA wertvolle Dienste geleistet. Wir verlieren in ihm einen Kämpfer und wünschen, dass er in seiner neuen Tätigkeitsbereich auch politisch weiter arbeiten kann.

Am 6.7.1936 teilte der Betroffene dem Herrn Landeshauptmann mit der Glaube, dass hier politisch alles in bester Ordnung sei, hat sich wieder einmal als irrend erwiesen. Gerade jetzt haben 32 Beamte und Angestellte der Anstalt, die „Rote Erde“ abbestellt offenbar, weil ein Pfarrer, den ich auf der Spur bin, Ihnen das geraten hat. Hier sind es natürlich die Sittlichkeitsprozesse der Franziskaner, die diese Aktion in die Wege geleitet haben. Über die Maßnahmen, die ich getroffen habe, darf ich Ihnen bei Gelegenheit berichten. Mehrere haben auch das „Schwarze Corps“ wieder abbestellt. Ich kenne nun mittlerweile das Gebiet auch in seiner politische Struktur, ganz genau und weiß von vornherein, woher solche Winde wehen. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Gegner sich erst recht früheren werden, wenn ich das Feld verlasse, denn die Freude darüber wird nicht gerade gering sein.

Weiter teilte der Betroffene dem Herrn Landeshauptmann am 3. September 1936 mit im übrigen wird es sie interessieren zu hören, dass der Führer und Reichskanzler in der ihnen bekannten Logen Angelegenheit zu meinen Gunsten entschieden hat. Das Schreiben trägt die persönliche Unterschrift des Führers in all dem Wust der letzten Wochen eine große Freude für mich! Aus diesem Urkundenbeweis, in Verbindung mit dem eigenen Auslassungen des Betroffenen ist festzustellen, dass der Betroffene aktiv am Nationalsozialismus teilgenommen hat.

Wenn der Betroffene heute die Einschränkung macht, dass er zwar Anhänger des Nazismus und Träger der Ideologie war, dass er aber wieder die Nationalsozialistische Gewaltherrschaft gefördert, noch unterstützt hat, so kann ihm darin nicht gefolgt werden. Seiner Einstellung und seinem Beruf nach hatte der Betroffene nicht nur Kenntnis von dem zunächst aufgestellten Programm der NSDAP, sondern auch davon erlangt, das politische Gegner verfolgt und die Juden zur Reinhaltung der deutschen Rasse ausgemerzt werden sollten. Die Durchführung des Judenprogroms hat der Betroffene als verwerflich und als eine solche Maßnahme bezeichnet, mit der er nicht einverstanden war. Er hat aber weder etwas gegen diese Maßnahmen unternommen, noch hat er zu irgendeiner Zeit eine Abkehr vom Nationalsozialismus an den Tag gelegt. Er ist trotzdem. Er ist trotz Kenntnis dieser menschenunwürdigen Maßnahmen ein treuer Diener seines Führers und Anhänger der NSDAP geblieben. Damit aber hat er zum Ausdruck gebracht, dass er mit den durchgeführten Maßnahmen der NSDAP einverstanden war, und hat durch seinen Weiterverbleib in der NSDAP diese Gewaltmaßnahmen unterstützt. Der Betroffene ist zwar wegen seiner früheren Zugehörigkeit zu einer Freimaurerloge von der Übernahme eines Amtes, in der NSDAP ausgeschlossen worden und hat auch tatsächlich in der NSDAP kein Amt bekleidet. Aus dem Inhalt der Personalakte, insbesondere aus dem bereits zitierten Schreiben vom 6.7.1936 ergibt sich aber, dass er der Betroffene bei jedweder Gelegenheit seinen Einsatz für den Nazismus besonders herausstellen wollte und Gegner des Nazismus zu belehren versuchte. Dass der Betroffene überzeugte Nationalsozialist gewesen ist, wird von den Zeugen, Dr. Gildemeister und Dr. Kraus bestätigt. Allein die eigenen Angaben des Betroffenen, in Verbindung mit dem Inhalt der Personalakte, mussten zu dem Ergebnis führen, dass der Betroffene die Tatbestände des Art. 7, I, 3 und II, 4 erfüllt hat und demnach in die Gruppe der Belasteten einzustufen sei die Beweisaufnahme und auch der Inhalt der Personalakten hat aber 

Anlage Nr. 4 zum Spruch der V. Spruchkammern Bremen vom 6. Dezember 1949 in der Sache gegen den Nervenarzt Dr. Walter Kaldewey Aktenzeichen VI. SP. B. 12/49

nichts ergeben, was die Behauptung der Klage rechtfertigen könnte, dass der Betroffene auch die Tatbestände des Art. 9, II, 1 des Gesetzes erfüllt hätte. Der hierfür benannte Zeuge, Grimme konnte darüber jedenfalls keine Angaben machen, die auch nur im entferntesten geeignet wären, eine Nutznießerschaft des Betroffenen festzustellen. Die Erfüllung dieser Gesetzesbestimmungen durch den Betroffenen musste demnach verneint werden. Liebe die weitere Beweisaufnahme durch Vernehmung der Belastungszeugen konnte ferner nichts darüber erbringen, dass dem Betroffenen irgendwelche belastende Einzelhandlungen, mit der für eine gerechte, ein Scheidung erforderlichen Bestimmtheit, nachgewiesen worden wäre. Nicht nur der Zeuge Höpfner, der über eine ganz bestimmte Äußerung des Betroffenen Auskunft geben sollte, sondern auch die Zeugen an Brechts und Gottwald haben auf wiederholten Vorhalt, ihre zunächst vollkommen präzise gemachten Angaben in einer Weise einschränken müssen, dass sie als Belastungsmaterial gegen den Betroffenen nicht ins Feld geführt werden konnten soweit es sich bei den vernommenen Belastung Zeugen um angestelltes Pflegepersonal der Anstalt handelt, lagen ihren Angela lagen ihren Angaben lediglich Vermutungen, zu Grunde, die durch nichts erhärtet werden konnten. Die Aussagen der Belastungszeugen aber, die selbst Insassen der Anstalt waren, mussten mit größter Vorsicht aufgenommen werden. Das trifft besonders bei dem Zeugen Nagel zu, der in verschiedenen Eingaben zu den Akten den Betroffenen in der schwersten Weise belastete, bei seiner persönlichen Anhörung aber einräumen musste, dass die Wagen wegen seiner antifaschistischen Gesinnung erfolgte Aufnahme in die Heil und Pflegeanstalt allen für ihn mit weit günstiger war, als eine Überstellung in ein KZ, aus dem er wahrscheinlich nicht mehr lebend heraus gekommen wäre. Schließlich war noch festzustellen, dass der Dienstgrad des Betroffenen in der SA als Sanitäts Obersturmbannführer gemäß den Bestimmungen der Art. 39, III nicht als Belasteter im Sinne der Gesetzesvorschrift fest zu setzen war, da nach dem unwidersprochen gebliebenen Angaben des Betroffenen sich dieser zum Gesundheitsdienst bei der SA nicht freiwillig gemeldet, sondern dazu herangezogen worden ist. Zur Frage der endgültigen Einstufung des Betroffenen musste der vom Betroffenen angeboten und erbrachten Entlastung, Berücksichtigung finden. Die Zeugen Hansen, Dr. Wilhelmi, Michel, Büssing und die Polizeistation Niedermarsberg haben in ihren schriftlichen Erklärungen und zwar insbesondere die Zeugen Michel und die Polizeistation zum Ausdruck gebracht, dass der Betroffene zweifelslos überzeugter Nationalsozialist war, dass er aber in seiner Gesamthaltung äußerst korrekt, human und entgegenkommend gewesen ist und sich insbesondere schützend vor die katholischen Schwestern gestellt hat. Mit der Feststellung, dass den Betroffenen individuell belastende Einzelhandlungen nicht nachgewiesen worden waren und dass ihm mit dem Entlastungsbeweis eine Zweifelsfreie Gesamthaltung bestätigt worden ist, hielt die Kammer unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Art. 2 des Gesetzes, den Betroffenen einer milderen Beurteilung würdig und demnach einen Ausschluss des Betroffenen an der Teilnahme am öffentlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben nicht für gerechtfertigt. demnach erfolgte die Einstufung des Betroffenen, wie geschehen, in die Gruppe der minder Belası, der minder belasteten gemäß Art. 11, I, 1. Da der Betroffene jedoch bereits drei Jahre und zehn Tage in Internierung war, wo würde die nochmalige Anordnung einer Bewährungsfrist im Missverhältnis zu den bisher erlittenen persönlichen und wirtschaftlichen Beschränkungen stehen, so dass die Kammer in Anwendung der Bestimmungen des Art. 17, VIII des Gesetzes, die Durchführung, die durch Stufung des Betroffenen, wie geschehen, in die Gruppe der Mitläufer vorgenommen hat. Aus dem gleichen Gründen war von der Festnahme von der Festsetzung eines Beitrages zu einem Wiedergutmachungsfond ab zu sehen. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß Art. 57 des Gesetzes dem Betroffenen auf zu erlegen. Die Festsetzung des Streitwert This rechtfertigt Art. 2 der Gebühren Ordnung in Verbindung mit dem Verordnung vom 20.7.1948. Gegen diesen Spruch kann innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich begründete Berufung in doppelter Ausfertigung bei der Spruch – oder Berufungskammer eingelegt werden. 

Von Seiten des Betroffenen wird auf Berufung verzichtet. 31.1.1950. 

Somit ist dieser Spruch rechtskräftig zum 31.1.1950

»Nachruf eines Parteigenossen von Kaldewey im Bremer Ärzteblatt«

Bremer Ärzteblatt – Monatszeitschrift der Bremer Ärzteschaft

Mitteilungsblatt für das Gesundheitswesen im Land Bremen herausgegeben im Auftrage der Landesärztekammer von Dr. med. B. N.

Nummer 2, Februar 1954, siebter Jahrgang 

Nachruf Kaldewey 

Am 13. Januar, gut einen Monat nach seinem 57. Geburtstag, den wir noch im Freundeskreis mit ihm feiern konnten, starb plötzlich an einem Herzinfarkt unser Kollege, der Nervenarzt und Psychiater, Dr. med. Walter Kaldewey. In München-Gladbach geboren absolvierte er im Mai 1915 das Realgymnasium in Elberfeld. Für einen Mann wie Kaldewey war es selbstverständlich, dass er damals sofort Soldat wurde. Als Leutnant der Infanterie wurde er 1918 zweimal verwundet und kehrte als Schwerkriegsbeschädigter in die Heimat zurück.

Ende Mai 1922 bestand er in Berlin sein medizinisches Staatsexamen und approbierte im Dezember 1922. Nach 1/2 Jahren an der Positur der Wuppertaler Krankenanstalten folgten Assistenzjahre an der Universitätsklinik Bonn (Juli 1923 bis September 1925), an der psychiatrisch neurologischen Klinik Nürnberg (Oktober 1925 bis Mai 1929) mit einer dreimonatigen Unterbrechung, zwecks Ablegung des Kreisärzteexamens an der sozialhygienischen Akademie in Charlottenburg, dann Universitäts-Nervenklinik in Leipzig und Kaiser-Wilhelm-Institut Berlin (Juni 1929 bis Mai 1931) und im Juni 1931 erhielt Kaldewey die Anstellung als Oberarzt an der Provinzial-Heilanstalt Hildesheim. Von hier folgte er einem Ruf als Direktor der westfälischen Provinzial-Heilanstalt Eickelborn und im Oktober 1936 einer neuen Berufung in gleicher Eigenschaft an die Provinzial-Heilanstalt, Marsberg in Westfalen, — am 1. Dezember 1939 übernahm Kaldewey die Leitung der psychologisch-neurologischen Klinik der Bremer Krankenanstalten und fand neben dieser Tätigkeit noch die Zeit, der Wehrmacht als Stabsarzt und später als Oberstabsarzt zu dienen, in der Leitung der Bremer Nervenambulanz und als beratender neurologische verschiedener Reservelazarette. Nach dem Zusammenbruch folgten für Kaldewey drei Jahre in britischen Konzentrationslagern und damit der Verlust seiner Stellung an der Bremer Krankenanstalten. Während dieser schweren Zeit, die Kaldewey mit Stolz und im Fall Bewusstsein seines Rechts zu tragen wusste, hat seine tapfere Frau mit ungewöhnlicher Tatkraft, die Familie durch zu bringen, verstanden und darüber hinaus den Garten, wo und wie sie nur konnte, die entbehrungsreiche Zeit der Internierung erleichtert. Nach seiner Entnazifizierung als Mitläufer ging Kaldewey im Sommer 1948, körperlich und seelisch ungebrochen, an den Aufbau einer neuen Existenz durch Gründung einer nervenärztlichen Praxis in Bremen, die er dann zu schönster Blüte entwickelte, bis nun der Tod ihn abrief.

Als Arzt und Mensch war Kaldewey, ein Mensch, höchster Ideale, oftmals schwärmerisch, so dass man ihm nur folgen konnte, wenn man zuvor sich selbst in Gedanken von dieser Streit lüsternen, neiderfüllten Erde in eine bessere Welt versetzt hatte. Trotz aller Enttäuschungen, die ihm der Zusammenbruch von 1945 und der Geist der Entnazifizierung bereitet hatten, glaubte Kaldewey fest und zuversichtlich, alle Lebens willen und an die Lebenskraft des deutschen Volkes innerhalb eines befriedeten und Gemeinden Europas. Ich hatte den Vorzug, mich an Kaldeweys Haltung im britischen Konzentrationslager erfreuen zu können, und ich weiß, dass viele zaghafte Gemüter sich an seiner Festigkeit und seinen unverwüstlichen Optimismus aufgerichtet haben, von ihren Sorgen um die Zukunft, Familie und Deutschland was immer Kaldewey sagte oder Tat, ob man ihm beistimmen konnte oder nicht, jeder, der ihn kannte, weiß, dass nur edelste Motive, sein Denken und Handeln, diktierten, Motive, die geboren wurden aus dem Gefühl der Berufung zu klassischen Arzttum, aus glühenden Patriotismus, aus Pflichtbewusstsein und Ehrgefühl. Kaldewey lebte vor, was er predigte, und all seine Predigen waren ein Suchen nach Sauberkeit, Wahrheit und Anständigkeit. Die Kunst der Diplomatie pflegte er nicht. Er wusste, dass das Heil nur von der Wahrheit kommen kann. Deshalb sprach er auch aus, was er dachte, und verschwieg nichts. „Die schlimmste Krankheit unserer Tage ist die Unwahrhaftigkeit“, äußerte er kürzlich im Gespräch, „und für das absenken unseres kulturellen Lebens ist sie in erster Linie verantwortlich. Wer sich die Mühe macht, die Dinge gewissenhaft und kritisch auf dem allerletzten Grund zu gehen, wird mir zustimmen müssen.“

Große Sorge machte ihm die Nivellierung des deutschen Arzttums nach Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und des Durchschnitts. Ein Nachruf ist nicht der Platz für Erörterung, strittiger Probleme, aber es besteht fest, dass die Ärzteschaft an Kaldewey einen äußerst bewegten Streiter für ihren guten Namen und ihre berechtigten Ansprüche verloren hat.

Wer das Glück hatte, einen Einblick zu tun. In das Kaldewey’sche Familienleben, der kann dem neuen Familienministerium viele wertvolle Anregungen geben. Kaldewey war wirklich eine echt ganze Persönlichkeit, die sich selbst und ihren idealen treu blieb, bis zur letzten Konsequenz.

Frau und 6 Kinder, davon eine 14-jährige Tochter durch Unglücksfall erblindet, trauern mit uns um den Dahingegangenen. 

Tiefverhangenen dunkle Wolken jagten sturmgepeitscht über den deutschen Norden, als die große Zahl seiner Freunde und Patienten am 16. Januar Walter Kaldewey zu Grabe trug. Es war, als zürnte der Himmel, dass ein hartes Schicksal der Familie, den vorbildlichen Garten und Vater und dem Lande Niedersachsen einen seiner treuesten Söhne entrissen hatte. Die Natur schien sich aufbäumen zu wollen, mit Sturm und Sturmflut gegen die schmerzvolle Wirklichkeit, dass er, der sie so sehr geliebt, ja nun für immer genommen sein sollte. Im Wirrsal der Gedanken von Trauer und Stolz, von Sorge und mannhafter Lebensbejahung tauchten Kindheitserinnerung auf, wie einst zur Dämmerstunde die Mutter erzählte vom Glauben und Hoffen unserer Ahnen, von ihrem Leben und Sterben, von Hünengräbern und Wallhall. Wie manche von uns, so war auch Walter Kaldewey in Stunden der Musse und Erholung dazu gerne von dem Durcheinander unserer Tage entrückt, in die kraftvolle Mythologie unserer Väter. Und brauchst nun in kalter, nordischer Winternacht, der wilde Jäger durch die Luft, dann denke ich mir beim Glas Wein, Freund Kaldewey ist auch dabei.

Dr. Konrad Borchardt

Quelle: Gedenkstätte Hadamar, Klee-Sammlung