Arbeiter, Seemann, Ehemann, Vater und Großvater
von Rolf Allerdissen (Lesedauer ca. 10:00 Minuten)
Am frühen Morgen des Dienstags, den 22. Oktober 1877, erblickte Johann Wewer gemäß dem Eintrag im Kirchenbuch der St. Bonifatius Gemeinde in Langholt das Licht der Welt. Sein Geburtsort war Westrhauderfehn, eine kleine Ortschaft in Ostfriesland. Zu dieser Zeit war er das fünfte Kind seiner Eltern, die ihm eine Welt voller Möglichkeiten eröffneten.
Sein Vater, Gerd Hinrich Wewer, war ein Torfbauer und Muttschiffer, der zu der Zeit seiner Geburt 37 Jahre alt war. Eine hart arbeitende Seele, die sein Bestes gab, um für seine Familie zu sorgen. An seiner Seite stand Johanns gottgläubige Mutter Adelheid, geborene Hanken, die im Alter von 35 Jahren die Verantwortung für ihre wachsende Familie trug.
Doch das Schicksal sollte früh zuschlagen. Als Johann kaum drei Jahre alt war, verlor er seinen Vater bei einer tragischen Schiffskollision während eines Torftransports auf der Ems nahe Leer. Dieser Verlust war sicherlich eine schwere Bürde für die Familie, die sich inmitten des Alltagslebens wiederfand.
Trotz dieser Herausforderungen blieb Johanns Mutter, Adelheid, eine gottgläubige Katholikin, die jeden Tag in die St. Bonifatius Kirche in Westrhauderfehn ging. Ihre spirituelle Hingabe spiegelte sich in ihrer Entschlossenheit wider, die Kraft zu finden, um das Leben ihrer Familie trotz der Widrigkeiten weiterzuführen.
Die Geschichte von Johann Wewer beginnt in den bescheidenen Wurzeln einer kleinen Gemeinde in Ostfriesland. Ein junger Junge, der inmitten von Verlust und Glauben aufwuchs. Diese Anfänge würden den Weg für das Leben ebnen, das vor ihm lag, und seinen Einfluss auf die Welt, die ihn umgab, prägen.
Die Schulzeit in Westrhauderfehn (1884-1892): Ein Weg zur Bildung
In den Jahren von 1884 bis 1892 erlebte Johann Wewer eine bedeutsame Phase seines Lebens – seine Schulzeit in Westrhauderfehn. Während dieser Zeit legte er den Grundstein für seine Bildung und sein Wissen, die ihn auf seinem Weg begleiten sollten.
Die katholische Volksschule, angesiedelt gegenüber der ehrwürdigen St. Bonifatius Kirche in Langholt, war Johanns Lernstätte. Ein Ort, der nicht nur Wissen vermittelte, sondern auch die Werte und Prinzipien seiner Glaubensgemeinschaft aufgreifen konnte. Die enge Verbindung zur Kirche bot sicherlich eine besondere Atmosphäre des Lernens und der Spiritualität.
Die Schule war jedoch nicht direkt vor seiner Haustür. Johann legte täglich eine beachtliche Strecke von gut dreieinhalb Kilometern von Burlage zur Schule zurück. Diese Entfernung zeugt von seiner Entschlossenheit und seinem Engagement für seine Ausbildung. Der Wille, Wissen zu erwerben und seine Fähigkeiten zu entwickeln, trieb ihn dazu, diese Strecke regelmäßig zu bewältigen.
Während seiner Zeit an der Schule wurden ihm von mehreren Lehrern die Grundlagen beigebracht, die sein Verständnis für die Welt um ihn herum formten. Unter diesen Pädagogen sind der damalige Schulleiter Esders und der 1. Hauptlehrer Hermann Teipen hervorzuheben. Diese Lehrer prägten nicht nur seine schulische Bildung, sondern hinterließen auch möglicherweise einen Einfluss auf seine ethischen und moralischen Überzeugungen.
Die Schulzeit in Westrhauderfehn legte den Grundstein für Johann Wewers Bildung und formte seine Sicht auf die Welt. Die Schule, die eine Verbindung zur Kirche und zur Gemeinschaft darstellte, spielte eine wichtige Rolle in seiner Entwicklung. Die Prinzipien, die er in dieser Zeit erlernte, könnten später zu einem wichtigen Bestandteil seiner Identität und seiner Beziehung zur Welt werden.
Leben in Ostfriesland um 1900: Traditionen, Landwirtschaft und Torfabbau
Um das Jahr 1900 herum war Ostfriesland eine ländliche Region im Nordwesten Deutschlands, die noch von traditionellen Lebensweisen geprägt war. Die Industrialisierung hatte diese Gegend noch nicht in vollem Umfang erreicht, und das Leben hier war eng mit der Natur und den ursprünglichen Wirtschaftszweigen verbunden.
Die meisten Menschen lebten in kleinen Dörfern, umgeben von Ackerland und Wiesen. Die Häuser waren meist aus Backstein oder Fachwerk gefertigt und hatten charakteristische Strohdächer. Elektrische Beleuchtung und fließendes Wasser waren noch keine Selbstverständlichkeit, daher mussten die Bewohner Wasser aus Quellen und Brunnen holen.
Die Landwirtschaft war der Haupterwerb in Ostfriesland. Die meisten Familien betrieben eine kleinbäuerliche Landwirtschaft und hielten Tiere wie Kühe, Schweine und Schafe. Die Landwirtschaft war jedoch von unsicheren Ernten und niedrigen Preisen geprägt, was viele Bauern in finanzielle Schwierigkeiten brachte.
Die Fischerei war ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig in dieser Region. Die Fischer fuhren hauptsächlich auf Kabeljau, Scholle und Hering und verkauften ihren Fang auf lokalen Märkten oder exportierten ihn in andere Regionen.
Das Leben in Ostfriesland war stark von der Natur abhängig. Im Herbst sammelten Familien Heidekraut, Torf und Holz, um sich auf den Winter vorzubereiten. Fortbewegungsmittel wie Autos oder Busse waren noch nicht üblich, daher bewegten sich die Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit Pferd und Wagen fort.
Der Torfabbau war eine bedeutende Industrie um 1900. In Ostfriesland wurden Moore entwässert, um Torf als Brennstoff zu gewinnen. Der Torf wurde geschnitten, getrocknet und in speziellen Öfen verbrannt. Der Torfabbau war harte Handarbeit und oft eine Nebenbeschäftigung vieler Familien.
Die Fehngebiete in Ostfriesland waren besonders bekannt für den Torfabbau. Torf wurde auf Booten namens Torfkähne oder mit speziellen Schmalspurbahnen transportiert. Dieser Brennstoff war vielseitig einsetzbar, von Heizung bis zur Dachdeckung.
Insgesamt war das Leben in Ostfriesland um 1900 von harter Arbeit und einem engen Bezug zur Natur geprägt. Die Menschen lebten in Einklang mit den Jahreszeiten und verließen sich auf traditionelle Wirtschaftszweige, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Johann Wewer: Ein Leben im Wandel – Von der Familie zur Marine
Das Leben von Johann Wewer nahm eine neue Wendung, als er eine Familie gründete. Am 15. Mai 1907 heiratete er Johanne Frieda Resack, eine Frau mit sorbischen Wurzeln, in Bremerhaven. In den Jahren ihrer Ehe wurden sie Eltern von fünf Kindern. Doch das Glück war nicht ohne Schatten, denn eines ihrer Kinder verstarb bereits in jungen Jahren.
Die Tradition sah vor, dass bei seinem Stand als nicht erstgeborener Sohn, der Besitz der Eltern im weitläufigen Westrhauderfehn, das damals aus 500 Häusern bestand, nicht auf ihn überging. Dies bedeutete, dass er keinen Anspruch auf das elterliche Erbe hatte. Daher sah sich Johann gezwungen, seinen Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen.
Er entschloss sich, als (Land-)Arbeiter zu arbeiten und begab sich wie viele Ostfriesen seiner Zeit auf die Suche nach Arbeit. Er heuerte bei Reedereien in Emden, Bremerhaven und Bremen an, um sich selbst und seine Familie zu ernähren. Es war eine Zeit des Wandels und der Anpassung, in der er sich neuen Herausforderungen stellte, um seinen Verpflichtungen als Ehemann und Vater gerecht zu werden.
In den aufgefundenen Unterlagen finden sich Angaben darüber, dass er in der Marine tätig war. Er arbeitete als Matrose und Bootsmann bei der Hochseeflotte der „Kaiserlichen Marine“. Während des Ersten Weltkriegs wurde er auch zum Kriegsdienst eingezogen. Dies markierte eine bedeutende Wendung in seinem Leben, da er sich inmitten globaler Umwälzungen befand und seinen Dienst für sein Land verrichtete.
Das Leben von Johann Wewer war geprägt von Veränderungen und Anpassungen. Vom Aufbau einer Familie über die Suche nach Erwerbsmöglichkeiten bis hin zu seiner Rolle in der Marine spiegelte sein Leben die Vielschichtigkeit und Dynamik einer Zeit wider, die von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen geprägt war. Seine Geschichte steht als Zeugnis für die Widerstandsfähigkeit und den Mut, den viele Menschen in diesen Zeiten zeigten.
Das Leben als Seemann bei der Kaiserlichen Marine im 1. Weltkrieg war hart und gefährlich. Die Seemänner mussten lange Schichten arbeiten und waren ständig den Gefahren des Krieges und des Sees ausgesetzt. Der Krieg brachte Seeschlachten mit sich, die zu Unfällen und Todesfällen führten. Auch die Bedingungen an Bord der Schiffe waren schlecht, und die Seemänner mussten unter schwierigen Umständen leben. Die Seemänner mussten auch häufig Hunger leiden, da es an Bord oft nur wenige Vorräte gab. Trotz aller Widrigkeiten versuchten die Seemänner, ihre Pflicht zu erfüllen und ihr Land zu verteidigen.
Später fuhr er nachweislich bis 1938 auf kleiner, mittlerer und auch großer Fahrt als Matrose bei der Norddeutschen Lloyd (NDL), der Dampfschiffahrtsgesellschaft (D.G.) Neptun u.a. Reedereien mit verschiedenen Motor- und Dampfschiffen auf Nord- und Ostsee bzw. dem Atlantik bis nach Nord- und Südamerika.
Leben auf See in den 1930er Jahren: Herausforderungen und Stolz der Seefahrer
Die 1930er Jahre waren geprägt von einer harten und anspruchsvollen Lebensrealität für Seeleute. In einer Zeit, in der die Schifffahrt eine zentrale Industrie darstellte, fanden zahlreiche Männer ihren Lebensunterhalt auf Schiffen, die Waren und Passagiere über die Ozeane beförderten.
Die Arbeitszeiten der Seeleute waren unregelmäßig und oftmals mussten sie für Monate von ihren Familien und ihrem Zuhause getrennt sein. Die maritime Arbeit war mit Gefahren und Anstrengungen verbunden, wobei Seeleute mit den unvorhersehbaren Wetterbedingungen und den Risiken auf See umgehen mussten.
Das Leben an Bord war von begrenztem Raum geprägt. Die Seeleute teilten enge Quartiere und genossen nur wenig Privatsphäre. Die Mahlzeiten waren einfach und bescheiden, oft auf das Nötigste beschränkt. Strenge Hierarchien und eine disziplinierte Ordnung an Bord wurden von Kapitänen und Offizieren durchgesetzt.
Die Arbeitsbedingungen und das Leben der Seeleute wurden auch von den politischen Entwicklungen beeinflusst. Die 1930er Jahre waren eine Zeit politischer Unruhen und Konflikte weltweit. Die Spannungen zwischen verschiedenen Ländern konnten Seeleute in gefährliche Situationen bringen, wenn sie in konfliktreichen Gebieten operierten.
Trotz der Schwierigkeiten und Herausforderungen empfanden viele Seeleute Stolz für ihre Arbeit und ihre Fähigkeiten. Sie sahen sich als Teil einer langen Tradition von Seefahrern und als bedeutende Akteure im globalen Handel.
Einblick in das Leben von Johann Wewer in den 1930er Jahren liefert sein Seefahrtbuch von 1933. Laut den aufgezeichneten Einträgen aus dem Staatsarchiv Bremen wohnte Johann Wewer erstmals am 5. Dezember 1932 in Bremen. Seine Meldeadresse befand sich im Bremen-Gröpelinger Teil Ohlenhof in der Schwarzerweg-Straße. Zwischen seinen Zeiten auf See und an Land wechselte er zwischen verschiedenen Wohnungen in Bremen-Gröpelingen. Oft lebte er bei seinem ältesten Sohn Johannes und dessen Familie, zuletzt in einer kleinen Neubauwohnung. Dieses Seefahrtbuch dokumentiert nicht nur seine beruflichen Verpflichtungen auf See, sondern auch seine Anpassungsfähigkeit an das Leben an Land während einer Zeit des Wandels und der Unsicherheit.
Bei den Recherchen zum Wohnaufenthalt in Bremen bedanken wir uns für die freundliche Unterstützung durch den Initiativkreis Stolpersteine Bremen, die eine umfangreiche und unabhängige Recherche durchgeführt haben.
»Zur See«
Die Seefahrtbücher, die für Johann Wewer vor 1933 vom Seefahrtsamt ausgestellt wurden, sind laut letzten vorhandenen Seefahrtbuch nachweislich als verschollen angegeben. Aus anderen amtlichen Dokumenten ergab sich die unten aufgeführten Reise a.
a. Fahrt mit einem Schiff der D.G. Neptun auf der Neptun-Linie, Route Bremen-Amsterdam-Rotterdam Ankunft Rotterdam vor dem 5. Dezember 1932.
b. Matrose auf dem Dampfschiff »Heinrich Podeus«
Heimathafen Rostock – Dienstantritt am 20. Dezember 1933 in Bremen – Dienstende am 16. Februar 1934 in Emden auf Nordsee und Mittelmeerhäfen.
c. Matrose auf dem Dampfschiff »Goslar«
Heimathafen Bremen – Dienstantritt am 11. Juli 1934 in Bremerhaven – Dienstende am 7. August 1935 in Bremen auf großer Fahrt.
Die »Goslar« aus der Frankfurt-Klasse des Norddeutschen Lloyd (NDL) aus Bremen fuhr mit Passagieren auch auf der Linie zur nord- und südamerikanischen Westküste u.a. Buenaventura, Kolumbien – Callao, Peru – Valparaiso, Chile und nach Philadelphia, USA im Einsatz.
d. Matrose auf dem Dampfschiff »Porta«
Heimathafen Bremen – Dienstantritt am 27. Januar 1936 in Bremen – Dienstende am 24. Juli 1936 in Mobile, Alabama (USA) auf großer Fahrt.
e. Matrose auf dem Dampfschiff »Oder«
Heimathafen Bremen – Dienstantritt am 22. September 1936 – Dienstende am 13. Oktober 1936 bei einer Liegezeit in Bremen.
Bei der Untersuchung seines Seevermögens durch das Seemannsamt wurde dieses am 25. September 1936 irrtümlicherweise als nicht genügend festgestellt. Am 11. Juli 1937 wurde die Entscheidung aufgehoben.
f. Matrose auf dem Motorschiff »Weser«
Heimathafen Bremen – Dienstantritt am 22. November 1936 in Bremen – Dienstende am 31. Mai 1937 in Hamburg auf großer Fahrt. Ankunftshäfen u.a. Los Angeles, USA – San Francisco, USA – La Libertad, El Salvador.
g. Matrose auf dem D.G. Neptun Dampfschiff »Achilles II.«
Heimathafen Bremen – Dienstantritt am 15. Juni 1937 in Bremen – Dienstende am 9. Oktober 1937 Hamburg auf mittlerer/kleiner Fahrt.
h. Auf seiner letzten Fahrt zur See diente er als Matrose auf dem Dampfschiff »Hestia II.«. der Bremer Reederei D.G. (Dampfschifffahrts-Gesellschaft.) Neptun.
Die mittlere Fahrt lief vom 18. Oktober 1937 bis zum 14. Januar 1938 von Bremen zur iberischen Halbinsel nach Spanien zur Versorgung und Unterstützung der Franquisten. Die aufgezeichnete Fahrt war kein Liniendienst, da in den Jahren des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) der Liniendienst nach Spanien unterbrochen wurde.
Das Leben an Land: Johannes Webers Alltag in Bremen
Nach seiner letzten aufgezeichneten Abmusterung im Jahr 1938 im Alter von 60 Jahren, zeichnete sich Johannes Webers Lebensweg vor allem auf dem Festland ab. Es ist dokumentiert, dass er in dieser Zeit regelmäßig als Arbeiter auf der Werft der Bremer „AG Weser“ tätig war.
Seine Wohnsituation in Bremen ist ab dem 14. Januar 1938 nahezu lückenfrei dokumentiert. Von diesem Zeitpunkt an bis März 1941 lebte er vermutlich in der Westerstraße 70. Allerdings gibt es in diesen Aufzeichnungen eine Besonderheit: Sein Name wurde in Bremen beinahe durchgängig als „Johannes Weber“ geschrieben. Dies mag darauf hinweisen, wie leicht Namensvariationen in historischen Aufzeichnungen auftreten können und wie wichtig genaue Recherchen sind, um die Identität von Personen korrekt nachzuverfolgen.
In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg bis zum Jahr 1941 bildete das Alltagsleben von Johannes Weber einen Kontrast zur maritimen Arbeit, die er zuvor verrichtet hatte. Sein Schwerpunkt hatte sich auf das städtische Leben in Bremen verlagert, wo er seinen Lebensunterhalt als Arbeiter verdiente. Dies ist ein wichtiger Aspekt, um ein umfassenderes Bild von seiner Lebensgeschichte zu zeichnen und die verschiedenen Facetten seines Lebens zu verstehen.
Die Bedeutung des Jahres 1938: Verfolgung „Asozialer“ im NS-Regime
Das Jahr 1938 markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte des NS-Regimes, insbesondere in Bezug auf die Verfolgung sogenannter „Asozialer“. Die Ereignisse dieses Jahres werfen ein Licht auf die düstere Realität jener Zeit und verdeutlichen die brutalen Methoden des Regimes.
Zwischen dem 13. und 18. Juni 1938 führte die Kriminalpolizei die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ durch. Diese Aktion führte zur Verhaftung von über 10.000 als „asozial“ eingestuften Menschen im gesamten Reichsgebiet. Diese Menschen wurden in Konzentrationslager (KZ) verschleppt und dort unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten.
Die Verhafteten wurden mit einem braunen, später schwarzen Winkel als „Asoziale“ gekennzeichnet. Die NS-Propaganda nutzte den Vorwurf der Arbeitsscheu, um Menschen als unangepasst und gemeinschaftswidrig zu stigmatisieren. Eine Durchführungsverordnung aus dem Jahr 1938 definierte „Asoziale“ als Personen, die sich durch gemeinschaftswidriges Verhalten zeigten und sich angeblich nicht in die Gesellschaft einfügen wollten.
Ein Fokus auf das Jahr 1938 ist wichtig, da es zeigt, wie die nationalsozialistische Ideologie immer brutaler und repressiver wurde. Die Verfolgung von „Asozialen“ verdeutlicht das Ausmaß der Diskriminierung und Verfolgung von Menschen, die als nicht dem NS-Ideal entsprechend betrachtet wurden.
In diesem Kontext ist es interessant, dass Johann Wewer, der zu dieser Zeit in Bremen lebte, nicht in den Listen des KZ Sachsenhausen oder in den Aufzeichnungen der „Arolsen Archives“ zu finden ist. Dies legt nahe, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in einem Konzentrationslager inhaftiert war, wie es in seiner Familie irrtümlich überliefert wurde.
Der Fokus auf das Jahr 1938 ermöglicht uns also einen Einblick in die schrecklichen Geschehnisse dieser Zeit und verdeutlicht die Wichtigkeit der genauen Untersuchung von historischen Ereignissen, um Fehlinformationen zu korrigieren und die wahre Geschichte aufzudecken.
Liste der freiwillig gewählten Wohnungen Johann Wewers. Das Dokument weist teils erhebliche Abweichungen zur Situation und den Familiendaten auf. Die Daten zur Ehefrau wurden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus vorliegenden Dokumenten, sondern auf Zuruf Johann Wewers eingetragen.
- Distrikt 14 / bei dessen Sohn Johannes Weber / Schwarzerweg 22 / 05.12.1932 – 01./12.07.1933
- Distrikt 12 / bei dessen Sohn Johannes Weber / An den Pferdeweiden 50 / 01.07.1933 – 09./20.09.1933
- Distrikt 7 / Wilhelm Albert Karl August Läßig, Grobbäcker & Arbeiter / Westerstr. 108 / 09.09.1932 – 20.12.1933
- Distrikt 7 / Wilhelm Albert Karl August Läßig, Grobbäcker & Arbeiter / Westerstr. 108 / 20.02.1934 – 14.07.1934
- Distrikt 14 / bei dessen Sohn Johannes Weber / Auf der Düne 26 / 16.08.1935 – 20.12.1935
- Distrikt 7 / Wilhelm Albert Karl August Läßig, Grobbäcker & Arbeiter / Westerstr. 108 / 20.12.1935 – 27.01.1936
- Distrikt 7 / Wilhelm Albert Karl August Läßig, Grobbäcker & Arbeiter / Westerstr. 108 / 07.09.1936 – 26.11.1936
- ohne polizeiliche Anmeldung / Distrikt 14 / bei dessen Sohn Johannes Weber / Auf der Düne
- ohne polizeiliche Anmeldung Distrikt 7 / Witwe Karl Winter, Gastwirtschaft / Westerstr. 70 / Jan. – März 1940
- Distrikt 7 / Karl Keßler, Schiffszimmermann / Togostr. 9 / 21.03.1940 – 09.04.1940
- Distrikt 18 / bei dessen Sohn Johannes Weber / Auf der Düne 8 / 09.04.1940 – 01.05.1940
- Distrikt 18 / bei dessen Sohn Johannes Weber / Rostocker Str. 75 / 01.05.1940 – 23.08.1940
Distrikt 15 / Hans Neuhaus, Klempner / Bollmannstr. 44 / 19.08.1940 – 02.10.1940
Distrikt 15 / Thies / Kielstr. 25 / 02.10.1940 – 18.10/16.12.1941
Die Arbeitswelt auf der Werft im Jahr 1941: Kriegsproduktion und Herausforderungen
Das Jahr 1941 markierte eine Phase des Zweiten Weltkriegs, in der Deutschland und seine Industrie stark von den Anforderungen der Kriegsführung geprägt waren. Bremen, als bedeutender Hafen- und Industriestandort im Norden Deutschlands, war stark in die Kriegsanstrengungen involviert.
Die Werft „AG WESER“ in Bremen war zu dieser Zeit ein Schlüsselakteur in der Rüstungsindustrie und ein wichtiger Produktionsstandort für die Kriegsmarine. Die Werftarbeiter waren damit beschäftigt, Kriegsschiffe herzustellen, insbesondere Zerstörer und U-Boote, die eine wesentliche Rolle in den militärischen Operationen spielten.
Die Arbeitsbedingungen auf der Werft waren herausfordernd. Die Arbeiter mussten lange Stunden arbeiten und sich mit schweren Maschinen und großen Werkstücken auseinandersetzen. Arbeitsunfälle waren häufig aufgrund des gefährlichen Umfelds und des Mangels an angemessener Sicherheitsausrüstung. Die Arbeitskräfte wurden aufgrund des Arbeitskräftemangels während des Krieges oft aus verschiedenen Berufen rekrutiert und in die Rüstungsindustrie eingezogen.
Die Nationalsozialisten übten eine strenge Kontrolle über die Arbeitswelt aus. Die Werftarbeiter wurden in nationalsozialistische Organisationen wie der Deutschen Arbeitsfront (DAF) eingebunden und von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) überwacht. Arbeitsverweigerung oder Ungehorsam wurden streng bestraft.
Trotz der Widrigkeiten und der Belastung durch den Krieg fanden die Werftarbeiter Wege, sich gegenseitig zu unterstützen und Solidarität zu zeigen. Die Arbeitsgemeinschaften bildeten sich, um die harten Bedingungen zu bewältigen und sich gegen die schwierige Realität zu behaupten.
Das Jahr 1941 war eine Zeit, in der die industrielle Produktion in Bremen und in ganz Deutschland auf Kriegswirtschaft umgestellt wurde. Dies spiegelt die Schwere der globalen Konflikte und die Opfer wider, die von den Menschen in der Industrie und anderen Bereichen erbracht wurden. Es ist wichtig, sich an diese Zeit zu erinnern, um die Auswirkungen des Krieges auf die Arbeitswelt und das alltägliche Leben der Menschen zu verstehen.
Die letzten Tage von Johann Wewer: Ein Leben in Erinnerung
Das Leben von Johann Wewer neigte sich seinem Ende zu, und die letzten Jahre waren von physischer Schwäche und bescheidenen Verhältnissen geprägt. Er war ein zierlicher Mann von geringer Statur, der vor seinem Klinikaufenthalt in einem geschwächten Zustand verweilte. Sein Gewicht von 51 Kilogramm bei einer Körpergröße von 154 Zentimetern zeugte von seiner körperlichen Erschöpfung. Die seitliche Verkrümmung seiner Wirbelsäule verlieh ihm zudem eine gedrungene Erscheinung. In den Erinnerungen seiner Enkelin Wanda Weber lebt er als liebenswert knuddeliger „Teddybär“ weiter, der trotz der Umstände eine Wärme ausstrahlte.
Sein letzter „frei“ gewählter Aufenthaltsort war die Kieler Str. 25 in Bremen-Utbremen, nahe seinem Arbeitsplatz. Hier verbrachte er auch die letzten 16 Tage seines Lebens zwischen zwei Klinikaufenthalten in Bremen-Ellen, bei seinem Kollegen Kapitän Thies von der „Hestia II.“ Es war offensichtlich, dass er am 16. Dezember 1941 nicht mehr in der Lage war, dorthin zurückzukehren.
Am Montag, den 23. Februar 1942, verließ Johann Wewer diese Welt. Sein Lebensweg endete in Osterholz, Bremen, im Alter von exakt 64 Jahren und 4 Monaten. Seine Reise war zu Ende, und er hinterließ eine Geschichte, die von Fleiß, Entbehrung und familiärer Liebe geprägt war.
Die letzte Ruhestätte von Johann Wewer fand er am 28. Februar 1942 auf dem Osterfelder Friedhof in Bremen, im Gräberfeld C IX, Nummer 192. Dort ruht er nun in Frieden, sein Leben und sein Vermächtnis in den Herzen seiner Familie und jener, die seine Geschichte hören. Sein Abschied markiert das Ende eines Lebens, das trotz aller Widrigkeiten die Bedeutung von Liebe, Zusammenhalt und Erinnerung hervorhebt.
»Ein Nachfahre auf Spurensuche«
10 Jahre intensive Forschung
Die Spurensuche nach Johann Wewer: Ein langer Weg der Erinnerung
Erst viele Jahre nachdem die direkten Nachkommen von Johann Wewer das Leben verlassen hatten, begann im Jahr 2012 ein Urenkel, die Geschichte seines Urgroßvaters zu erforschen. Mehr als siebzig Jahre nach seinem ungefähren Tod wollte er die näheren Umstände des Lebens, des Verbleibens und des Todes seines Vorfahren herausfinden. Mit einem Foto, das Johann Wewer zusammen mit seiner Familie um 1940 zeigte, und einem Seefahrtsbuch, das Einträge von 1935 bis 1938 enthielt, machte er sich auf die Reise in die Vergangenheit. Trotz verschwommener Erzählungen innerhalb der Familie und falscher Zuordnungen gestaltete sich die Suche als Herausforderung. Erschwerend kam hinzu, dass das erhaltene Seefahrtsbuch den Namen „Johannes Weber“ trug.
Zehn weitere Jahre vergingen, bis sich das Schicksal und der Verbleib von Johann Wewer genauer aufklären ließen. Unterstützung erhielt der Urenkel vom Verein „DIE MAUS, Gesellschaft für Familienforschung e.V.“ aus Bremen. Mithilfe dieser Organisation konnte das genaue Sterbedatum und der Sterbeort ermittelt werden. Eine digitale Diskussion innerhalb der Facebook-Gruppe von „DIE MAUS“ brachte ans Licht, dass die Adresse „Osterholzer Landstraße 51“ in Bremen im Jahr 1942 nicht einfach eine gewöhnliche Wohnadresse war. Hinter dieser Adresse verbarg sich ein Gebäude der damaligen „Nervenklinik Bremen“, früher bekannt als „St. Jürgen Asyl“ oder „Bremische Heil- und Pflegeanstalt“. Diese Einrichtung war die älteste eigenständige psychiatrische Anstalt in Bremen.
Die mühevolle Suche nach den Wurzeln von Johann Wewer führte zu einer tieferen Erkenntnis über sein Leben, seine letzten Tage und seinen tragischen Aufenthalt in der psychiatrischen Anstalt. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, die Vergangenheit zu erforschen und die Erinnerung an diejenigen zu bewahren, die vor uns kamen.
Ich bin der Meister meines Los‘. Ich bin der Käpt’n meiner Seel.
Auszug aus Invictus, Gedicht von William Ernest Henley