Die Volksaufklärung über unwertes Leben
von Rolf Allerdissen (Leserdauer: ca. 2:00 Minuten)
Das Plakat wirbt für die vom Rassenpolitischen Amt der NSDAP herausgegebenen Monatshefte „Neues Volk“. Es zeigt einen sitzenden, offenbar bewegungsunfähigen körperbehinderten Mann und einen hinter ihm stehenden Pfleger. Die bildliche Aussage wird durch den Satz „60.000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit“ und den Hinweis „Volksgenosse, das ist auch Dein Geld“ verdeutlicht: Behinderte und unheilbar Kranke sollten aus der Volksgemeinschaft – ähnlich den Juden, Sinti und Roma und anderen Gruppen – ausgegrenzt werden, ihr Tod sei eine Einsparung für jeden gesunden „Volksgenossen“. Diese „rassenpolitischen“ Ansichten wurden im NS-Staat in wissenschaftlichen Darstellungen, aber auch in Dokumentar- und Spielfilmen wie „»ICH KLAGE AN« aus dem Jahr 1941 propagiert.
Mit den anthropologischen, genetischen und eugenischen Forschungen der „Rassenhygieniker“ wurde ab Herbst 1939 der als »Euthanasie« bezeichnete Mord an den Menschen gerechtfertigt, deren Leben nach NS-Ideologie „nicht lebenswert“ war.
Aus der ursprünglichen Bedeutung des Wortes »Euthanasie« vom „guten“ oder „schönen Tod“ wurde im NS-Regime die Pflicht des Staates abgeleitet, sich der von den Nationalsozialisten als „Defektmenschen“ und „Ballastexistenzen“ titulierten Behinderten zu entledigen.
NS-Volkswohlfahrt
Es gab bevölkerungspolitische „Aufklärungsschriften“ von der NS-Volkswohlfahrt
Eine wichtige Aufgabe der NS-Volkswohlfahrt war die Schulung Erwachsener in „Erbhygiene“. Nur „gesunde Eltern“ sollten – möglichst zahlreiche – Kinder bekommen, so genannte Erbkranke wurden zwangssterilisiert. „Juristische Grundlage“ der Zwangsterilisationen war das am 1. Januar 1934 in Kraft getretene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“.
Die Wohlfahrtspflege der NSDAP diente in erster Linie nicht der Fürsorge für den einzelnen, sondern der Stärkung der rassisch definierten Volksgemeinschaft. Zumeist ergänzten weltanschauliche und rassehygienische Belehrungen die NSV-Schulungen oder ambulanten Beratungen. Keinen Raum nahm die Fürsorge für behinderte Menschen ein. Obwohl die Propaganda das Gegenteil behauptete, fielen sie durch das soziale Netz.
Bilder aus Szenen eines Films des Reichspropaganda-Ministeriums. Solche Propagandabilder und -filme sollten öffentliche Sympathie für das »Euthanasie«-Programm entwickeln. (Bilder: US Holocaust Memorial Museum)