Das Vorwort

Die Thematik dieses Projektes berührt ein äußerst komplexes Gebiet der Erinnerungskultur, welches den Opfern der NS-Erbgesundheitspolitik gewidmet ist. Bevor wir in die Tiefe dieses Themas eintauchen, möchten wir zunächst Klarheit über die Begrifflichkeiten schaffen, die in diesem Kontext von entscheidender Bedeutung sind.

Der Begriff „Euthanasie“ ist heutzutage in unserer Umgangssprache mit der Idee der Sterbehilfe verbunden. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass der ursprüngliche Sinn dieses Begriffs darin lag, einen „guten Tod“ zu ermöglichen. In seinen Ursprüngen beinhaltete er nicht die aktive Verkürzung von Leben durch Selbsttötung oder auf Verlangen. Bedauerlicherweise haben die Nationalsozialisten diesen Begriff in schrecklicher Weise missbraucht, um die grausame „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ zu verschleiern. Aus diesem Grund setzen wir den Begriff „Euthanasie“ in sämtlichen Formen in Anführungszeichen, um seiner pervertierten Bedeutung gerecht zu werden.

Gleiches gilt für den Begriff „Eugenik“, der im eigentlichen Sinne auf die positive Beurteilung erblicher Eigenschaften verwies, die als „wohlgeboren“ galten. Im Rahmen unseres Projektes verwenden wir stattdessen den Begriff „Erbgesundheitslehre“ oder auch „Rassenhygiene“, um den negativen Missbrauch dieses Konzepts durch die NS-Ideologie zu verdeutlichen.

Die schrecklichen Ereignisse der NS-„Euthanasie“ fanden im Verborgenen statt, insbesondere ab August 1941, und wurden nur spärlich dokumentiert. Diese Dunkelheit trug dazu bei, dass die Täter ihre Taten vor der Öffentlichkeit verbergen konnten.

Unser Ziel ist es, auf diesen Seiten die Hemmschwelle gegenüber diesem wichtigen Thema abzubauen. Wir möchten dazu beitragen, eine moderne Erinnerungskultur zu fördern, die nicht nur oberflächlich wahrgenommen wird, sondern tiefgreifend und nachhaltig in unserem Bewusstsein verankert ist.

Nun aber ein Herzliches willkommen zu diesem preisgekrönten Projekt, das dazu dient, das Gedenken an die Opfer der NS-„Euthanasie“ und Erbgesundheitspolitik lebendig zu halten und eine bedeutende Lektion aus der Geschichte zu ziehen.

Johann Wewer »ABGEMUSTERT«

Urkunde und Plakette für Johann Wewer »ABGEMUSTERT«

Die Johann Wewer Gesellschaft zur Förderung der Erinnerungskultur an die Opfer der NS-Euthanasie: Ein Gedenken an die Dunkelheit der Vergangenheit

Am 22. Oktober 2022 wurde die gemeinnützige »Johann Wewer Gesellschaft zur Förderung der Erinnerungskultur an die Opfer der NS-Euthanasie« gegründet. Ihr Ursprung liegt im »Johann Wewer Projekt«, einer gemeinnützigen Gesellschaft aus Leipzig, die den Namen eines Opfers der schrecklichen NS-Zeit trägt. Diese Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerungskultur an die Opfer der NS-Rassenideologie und der NS-Erbgesundheitspolitik zu bewahren und weiterzutragen. Ihr Namensgeber, Johann Wewer, ein ostfriesisch-stämmiger Seemann, wurde am 22. Oktober 1877 in Westrhauderfehn geboren. Sein Schicksal führte ihn jedoch zu einem tragischen Ende, als er am 23. Februar 1942 in Bremen-Osterholz starb.

Johann Wewer zählt zu den etwa 100.000 geschätzten Opfern der sogenannten »dezentralen Euthanasie«, die zwischen 1941 und 1945 im Dritten Reich stattfand. Dieses schreckliche Kapitel der Geschichte ist geprägt von menschenverachtender Ideologie und grausamer Umsetzung. Insgesamt wurden während der NS-Herrschaft rund 600.000 Menschen Opfer der verheerenden NS-Rassenideologie. Innerhalb dieses düsteren Rahmens wurden etwa 400.000 Menschen gegen ihren Willen sterilisiert, während weitere 200.000 entweder an den Folgen dieser Zwangsmaßnahmen verstarben oder systematisch ermordet wurden.

Johann Wewer gehörte zu der Gruppe der „ausgegrenzten“ NS-Opfer, deren Leid und Schicksal bis heute nicht in vollem Umfang anerkannt wurden. Diese „ausgegrenzten“ Opfer und ihre Familien tragen eine schwere Last, da sie mit dem Vorurteil konfrontiert sind, „minderwertig“ oder „lebensunwert“ gewesen zu sein. Die Denkmuster der NS-Ideologie prägten über Jahrzehnte hinweg das gesellschaftliche Bewusstsein in der Bundesrepublik Deutschland und halten sich bis heute hartnäckig.

Johann Wewer war ein Vater von vier erwachsenen Kindern. Seine Ehefrau, die später erblindete und Mutter seiner Kinder war, verbrachte ihre letzten Tage getrennt von ihm in Pflege bei ihrer Tochter. Er selbst lebte zuletzt bei seinem ältesten Sohn und seiner Schwiegertochter zusammen mit deren vier Kindern in Bremen-Gröpelingen, nahe den Werften und den Hafenanlagen entlang der Weser.

Die »Johann Wewer Gesellschaft zur Förderung der Erinnerungskultur an die Opfer der NS-Euthanasie« strebt danach, die Geschichten wie die von Johann Wewer und vielen anderen Opfern in das kollektive Gedächtnis einzubetten. Durch ihre Arbeit möchten sie nicht nur der Dunkelheit der Vergangenheit gedenken, sondern auch dazu beitragen, dass sich solch eine Tragödie nie wiederholt. Indem sie die Erinnerung wachhalten, setzen sie ein starkes Zeichen gegen das Vergessen und für ein besseres Verständnis der Menschlichkeit.

Die Deschimag Werft »AG Weser« in Bremen-Gröpelingen, im Volksmund »Use Akschen« (unsere Aktien).

Das Schicksal von Johann Wewer: Eine düstere Erinnerung an das Unrecht der Vergangenheit

Im trüben Oktober des Jahres 1941 durchlebte Johann Wewer eine schicksalhafte Wende, die sein Leben unwiderruflich veränderte. Er wurde von seiner Arbeitsstätte bei »Use Akschen« auf der Deschimag-Werft »AG Weser« in Bremen-Gröpelingen abgeholt. Die genaue Absicht hinter dieser plötzlichen Abholung blieb zunächst im Dunkeln für eine nahestehende Familie, die von den Ereignissen erst nach und nach erfuhr.

Der Ort, an den Johann Wewer gebracht wurde, blieb zunächst im Verborgenen. Die Familie, die ihm nahestand, war sich der Bedeutung dieser Veränderung nicht bewusst. Die traurige Wahrheit über das, was ihm widerfahren war, sollte erst später an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Eine Nachricht von Gewalt und Unterdrückung, die von den Nationalsozialisten verübt wurde.

Die Erzählungen über Johann Wewer zeugen von einem Mann, der unschuldig und ahnungslos den Machenschaften eines verachtenswerten Regimes zum Opfer fiel. Seine Geschichte erinnert uns daran, wie leicht Menschen in den Wirren der politischen Grausamkeit verloren gehen können. Sein Schicksal erinnert uns daran, dass selbst in den dunkelsten Zeiten die Stimmen der Unterdrückten und Unschuldigen nicht vergessen werden dürfen.

Die Überlieferungen über Johann Wewer sind ein Mahnmal, das uns dazu aufruft, die Erinnerung an die Vergangenheit wachzuhalten. Sie erinnern uns daran, dass wir die Verantwortung haben, aus den Fehlern der Geschichte zu lernen und sicherzustellen, dass solch ein Unrecht nie wieder geschieht. Indem wir seine Geschichte erzählen, ehren wir nicht nur sein Gedächtnis, sondern setzen auch ein Zeichen gegen die Dunkelheit der Vergangenheit und für eine Zukunft des Mitgefühls, der Gerechtigkeit und des Respekts für alle Menschen.


Das stille Leid einer Familie: Johann Wewers letzte Reise

Gegen Ende des Februars 1942 erreichte die Familie Wewer in der Arbeiterreihenhaus-Siedlung an der Rostocker Straße eine schmerzliche Nachricht, die ihre Welt erschütterte. Ein sogenannter „Trostbrief“ erreichte sie und trug die traurige Nachricht vom Tod des Vaters, Johann Wewer. Diese Nachricht kam jedoch nicht nur mit dem Schmerz des Verlusts, sondern auch mit einer falschen Sterbeursache, die die wahren Umstände des Todes verschleierte.

Die Familie wurde aufgefordert, den Leichnam in Ellen nahe Bremen abzuholen, genauer gesagt von der „Osterholzer Landstraße 51“. Inmitten dieser herzzerreißenden Situation begab sich Johanns ältester Sohn, Johannes, auf den Weg zur angegebenen Adresse. Fünf Monate hatten ihn von seinem Vater getrennt, und als er ihn sah, erkannte er ihn kaum wieder. Dennoch überwand er seine eigene Trauer und lud den Körper seines Vaters auf einen Handwagen. So zog er seinen geliebten Vater mehrere Kilometer durch die Straßen bis zu einem Friedhof, auf dem Johann Wewer schließlich seine letzte Ruhestätte fand.

Die Wahrheit über das Geschehen und die Umstände des Todes von Johann Wewer wurde in der Familie nie wirklich aufgearbeitet. Die Erinnerungen an den Vater und Großvater wurden nur bruchstückhaft weitergegeben. Nur Johannes Weber und seine Ehefrau Wanda teilen in knappen Worten die Geschichte mit ihren Kindern und einem ihrer Enkelkinder. Sie erzählen von der mühsamen Identifizierung des Leichnams und dem bewegenden Transport auf dem Handkarren zum Friedhof. Details wie die Adresse des Abholorts und der Ort der Beisetzung wurden jedoch nie weitergegeben.

Die Geschichte von Johann Wewer ist nicht nur eine persönliche Tragödie, sondern spiegelt auch die düstere Realität der NS-Erbgesundheitspolitik wider. Diese mörderische Ideologie führte zu Zwangssterilisationen und Mordaktionen, die mit dem zynischen Begriff der „Euthanasie“ verschleiert wurden. Heute sollte uns diese Geschichte eine klare Lehre sein – eine Erinnerung daran, jedes Leben zu achten und die Rechte aller Menschen zu respektieren, unabhängig von körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen, Unfällen, Krankheiten oder Alter. Es ist unsere Verantwortung, aus der Vergangenheit zu lernen und eine Welt zu schaffen, in der solches Leid nie wieder geschieht.

Aus meiner persönlichen Lebenssituation als Betroffener von Schwerbehinderungen und meiner Familiengeschichte mit der Tötung meines Urgroßvaters in der Nervenklinik Bremen durch die Nationalsozialisten habe ich die Verpflichtung, alles zu tun, damit so etwas nie wieder geschehen kann. Die Isolierung von Menschen mit Behinderung in großen, geschlossenen, weit entfernten und damals kaum erreichbaren Anstalten und damit die vollständige Trennung von der Familie, den Freunden und Nachbarn hat mit dazu beigetragen, dass so etwas über Jahre möglich war. Diese Ausgrenzung erleichterte einen ungestörten, tödlichen Zugriff auf Menschen, die doch eigentlich mehr Inklusion in die Gesellschaft benötigen.

Rolf Allerdissen, Spiritus rector von Johann Wewer »ABGEMUSTERT«

Forschungen zur „NS-Euthanasie“-Verbrechen: Eine Suche nach Wahrheit und Verständnis

Die nachfolgenden Kapitel, die die historischen Ereignisse der „NS-Euthanasie“-Verbrechen beleuchten, werden nicht nur von der späteren Interpretation der staatlichen Verbrechen während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes beeinflusst, sondern auch von der Aufklärung und ethischen Prüfung der Nachkommen von Johann Wewer. Diese Erzählungen verstehen und bewerten die Abläufe und Forschungsergebnisse anderer unabhängig.

Die Forschungen, die sich mit Themen wie Eugenik, nationalsozialistischer Rassenhygiene, Wohlfahrts- und Erbgesundheitspolitik sowie Rechtsauffassungen und den beteiligten Personen befassen, basieren auf einer intensiven Recherche. Diese Recherche wurde durch das Lesen und Verstehen verschiedener Artikel und Veröffentlichungen der freien Enzyklopädie Wikipedia durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden neu interpretiert und zusammengefasst. Zudem wurden sie durch den Abgleich mit verschiedenen wissenschaftlichen Artikeln und Büchern auf ihre Richtigkeit überprüft.

Dennoch müssen wir betonen, dass trotz der gewissenhaften Prüfung keine endgültige Wahrheit beansprucht wird. Viele Handlungen der Täter wurden nicht dokumentiert, und es gibt bewusst vernichtete oder verfälschte Aufzeichnungen über ihre Taten. Die Wissenslücken und Verzerrungen, die durch die Zeit und die Absichten der Beteiligten entstanden sind, machen es schwierig, eine umfassende und definitiv wahre Darstellung der Ereignisse zu erreichen.

Trotz dieser Herausforderungen ist es von größter Bedeutung, die Geschichte der „NS-Euthanasie“-Verbrechen zu erforschen und zu verstehen. Indem wir die vorhandenen Informationen kritisch betrachten, können wir ein tieferes Bewusstsein für die Schrecken dieser Zeit entwickeln und sicherstellen, dass die Erinnerung an die Opfer und die Lehren aus dieser dunklen Vergangenheit niemals verblassen.

PODCAST Johann Wewer »ABGEMUSTERT« – wöchentlich eine Folge

Teaser zum Podcast Johann Wewer »ABGEMUSTERT«

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Johann Wewer »ABGEMUSTERT«

Preisträger 2022 Modul ReWIR des

Der Zweck des Vereins ist die Förderung der Hilfe für Behinderte, die Förderung des Andenkens an Verfolgte und Opfer der rassenhygienischen Sozial- und Gesundheitspolitik im Nationalsozialismus Deutschlands von 1933 bis 1945, die Förderung der Volksbildung sowie die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens.